Leben

Villa Knips: Zeitreisen statt Fernreisen

Ein Spaziergang durch Döbling. Der vergebliche Versuch, den Setagayapark auf der Hohen Warte zu besuchen: Vor dem Eingang in den japanischen Mustergarten wartet eine lange Schlange von Menschen, um Kirschblüten und Magnolien in harmonischer Anordnung zu besichtigen. Auch die Polizei ist angerückt, hält die Menschen zum Maskentragen an und regelt den Verkehr.

Ich gehe über die Hohe Warte, biege in die Haubenbiglgasse ein, verliere mich zwischen spektakulären Villen, den nahen Weinbergen und der fulminanten Aussicht über die Stadt. Überquere irgendwo die Grinzinger Allee, spaziere zwischen Wiesen, alten Anwesen und Fünfziger-Jahre-Wohnhäusern zum Olympiapark, von dort zum Markt am Sonnberg-Platz, der vor einem mächtigen Gemeindebau namens Karl-Mark-Hof liegt – kein Fehler, ein Buchstabe macht den ganzen Unterschied: Karl Mark war ein SPÖ-Politiker und ehemaliger Bezirksvorsteher von Döbling.

Die nächste Schlange

In der Obkirchergasse die nächste lange Schlange, diesmal vor einem Eisgeschäft. Ich gehe hinüber zur Iglaseegasse. Stelle mir vor, der Heurige Hengl-Haslbrunner hätte offen und ich könnte dem begnadeten Walther Soyka dabei zuhören, wie er alte Tanz und Märsche auf seiner Knöpferlharmonika spielt. Bald. Dann spaziere ich über den Saarplatz und biege schließlich in die Nusswaldgasse ein, um der Zacherlfabrik (Freizeit vom 31.10. 2020) einen Besuch abzustatten.

Aber diesmal zieht ein anderes Haus meine Aufmerksamkeit auf sich. Die Villa Knips liegt nur paar Schritte von der bunten Zacherlfabrik entfernt auf Hausnummer 22.

Allein die bestechende Strenge ihrer Fassade und das Bild der kühnen, geometrisch gestalteten Fenster ist atemberaubend. Entworfen hat dieses Haus der große Architekt und Mitbegründer der Wiener Werkstätte Josef Hoffmann, Anfang der zwanziger Jahre. Sein Bauherr war ein aus Sachsen stammender Metallunternehmer namens Anton Knips. Bewohnt wurde das Haus jedoch vor allem von dessen Gattin Sonja, die sich im Gegensatz zu ihrem Mann stark zur Ästhetik der Wiener Moderne hingezogen fühlte.

Alles außergewöhnlich

Davon zeugt unter anderem das spektakuläre Porträt, das Gustav Klimt 1897/98 von ihr malte und das im Oberen Belvedere zu besichtigen ist. Sonja Knips, geborene Freifrau Potier des Echelles, führte ein selbstbestimmtes, unser Kanzler würde sagen: „kulturverliebtes“ Leben und einen bemerkenswerten Salon. Allein, was man von der Straße aus von der Villa Knips sieht, ist außergewöhnlich.

Die Eleganz von Haus und Nebengebäuden ist zurückhaltend und kühl. Verspielt sind nur die Blumenbeete und die Blüten des Magnolienbaums, der sich neben einer riesigen Platane bescheiden ausnimmt. Das Innenleben des Hauses ist auf die andere Seite, zum großen Garten hin, orientiert. Verständlich, wenn auch für mich ein wenig schade. Also versuche ich noch einmal einen Abstecher zum nahen Setagaya-Park.

Noch immer ist die Polizei im Einsatz, und ich höre, wie ein Beamter zu einem Besucher sagt: „Kommen  S’ in der Früh. Dann ist das Licht am schönsten.“

Das ist eine Auskunft. Die werde ich beherzigen.

Kommen's in der Früh. Dann ist das Licht am schönsten