Leben

Christian Seiler geht durch den Sternwartepark

Ich stehe vor der Station „Gersthof“ der Vorortelinie und bewundere ihre Westfassade. Man betritt die Eingangshalle mit dem integrierten Stadtbahnbogen zwischen zwei hohen, schlanken Säulen, links und rechts vom Eingang hängen die liebevoll gestalteten Jugendstilleuchten, wie sie Otto Wagner für die damalige „Dampfstadtbahn in Hochlage“ designt hat.

Die erst vor wenigen Jahren renovierte Station schmückt die unmittelbare Umgebung, und ich verweile ein bisschen in Ehrfurcht, bevor ich die Straße überquere und in die schmale, steil ansteigende Bäckenbrünnlgasse einbiege, die über ein paar Stiegen hinauf zur Severin-Schreiber-Gasse führt, von der ich, während unter mir ein Zug in den Tunnel donnert, in die Sternwartegasse einbiege, bis ich zu dem dicht bewachsenen Hügel komme, der sich hinter einer mannshohen Ziegelmauer aufbaut: dem Sternwartepark.

Hamlet in den Büschen

Das erste Türl, das ich sehe, ist versperrt, schade. Für eine gewisse Zeit nimmt der auf attraktive Weise vereinsamte Josef-Kainz-Park mein Interesse in Anspruch, der elegant zwischen Sternwartestraße und Hasenauerstraße geschlichtet ist. Das Standbild des berühmten Schauspielers Kainz, der als Hamlet posiert, ragt gerade ein bisschen über die ihn umgebenden Büsche, und auf den Bänken sitzen Menschen, die Bücher lesen. Sehr kultiviert. Aber ich möchte mehr über den Sternwartepark wissen.

Ich erinnere mich dunkel an die Verwerfungen, die es in den Siebzigerjahren gab, als auf dem Areal das neue zoologische Institut der Universität errichtet werden sollte. Angeführt von einer Kampagne der Kronen-Zeitung formierte sich so heftige Opposition, dass der damalige Wiener Bürgermeister Felix Slavik eine Volksabstimmung über die Verbauung des Sternwarteparks ansetzte, die er prompt verlor und unmittelbar darauf zurücktrat. Der Sternwartepark blieb also unangetastet – und für die Öffentlichkeit geschlossen.

Die Astronomen waren damit zufrieden, weil der sie umgebende, dichte, fast schon urwaldmäßige Park die Luft beruhigt und eine ungestörte Himmelsbeobachtung befördert. Als sich vor einigen Jahren Stimmen regten, die eine Öffnung des Parks forderten, winkten die Astronomen ab – bitte nicht stören. Und ja keine Bäume fällen. Der Park wurde dann doch geöffnet, und es wurden auch 50 Bäume gefällt, um einen schmalen Rundgang durch das Areal möglich zu machen. Auf diesen Rundgang begebe ich mich jetzt.

Nur der Wind in den Wipfeln

Ich bin allein, kein Mensch, kein Hund zu sehen, nur die Geräusche des Winds in den Baumwipfeln. Die Bäume stehen so dicht, dass es selbst bei Sonnenschein ein wenig düster wirkt. Ich folge dem Weg, bis ich auf eine Lichtung hinaustrete, in deren Mitte die Sternwarte steht: die Ziegelfassaden gepflegt und renoviert, die Türme mit ihren Kugelkappen frisch herausgeputzt, die Aufstiege zu den Türen mit einer Brückenkonstruktion barrierefrei gemacht. Während ich das Haus umrunde, sehe ich niemanden.

Also stehle ich mich zurück zum Eingang und fühle mich nach dem Rundgang durch die Währinger Lokalgeschichte erhellt – und ein bisschen erleichtert, dass ich ihn unfallfrei bewältigt habe.