Findet Lemo
Von Barbara Reiter
Lemo kommt ein paar Minuten verspätet zum Interview am Naschmarkt. „'tschuldigung.“ Kein Problem Lemo! Schließlich lebt der Mann, der im wahren Leben Clemens Kinigadner heißt, ein Musikerleben: „Ich schlafe meistens sehr lange und bin insgesamt eher ein Nachtmensch.“ Deshalb sind seine Augen heute Mittag beim Fototermin auch noch ziemlich klein. Ansonsten ist Lemo aber groß im Kommen und auf dem besten Weg, sich nicht nur in der heimischen Musikszene zu etablieren. Um ihn am Naschmarkt ausfindig zu machen, haben wir das Booklet seiner neuen CD „Stück für Stück“ mit seinen Fotos in der Hand. Gesehen haben wir ihn schon oft, aber nur im Fernsehen. Doch den Foto-Vergleich brauchen wir gar nicht, Lemo fällt schon durch seinen Gitarrenkoffer sofort auf ...
Lemo, dein Name weckt Assoziationen: Was ist dir lieber? Limo oder Nemo?
Naja, Nemo ist bei uns im Team der Running Gag: Findet Lemo. Aber eigentlich kommt der Name von Clemens. Daraus wurde Clemo und schließlich irgendwann einmal Lemo.
Findest du nicht auch, dass der Himmel über Wien heute unerträglich blau ist?
Da hast du vollkommen recht. Aber es ist sehr geil, oder?
Super Wetter. Aber dein Song „Himmel über Wien“, der mit dieser Textzeile beginnt und ständig im Radio läuft, auch.
Es ist doch so, dass für alle ein blauer Himmel schön ist, außer für die, die Liebeskummer haben. Für die ist alles scheiße, während für die anderen das Leben weitergeht. Darum geht es in dem Lied.
Du klingst sehr deutsch, wenn du singst – obwohl du aus der Steiermark kommst. War das Absicht, um auch in Deutschland gut anzukommen?
Ich klinge einfach so. Aber „Der Himmel über Wien“ ist in Deutschland überhaupt nicht angenommen worden. Wir haben versucht, es zu releasen, aber die haben gesagt: „Was interessiert uns Wien? Mit dem haben wir nix zu tun.“
Ehrlich gesagt dachte ich mir beim Zuhören, dass das ein Nachteil sein könnte. Warum singst du nicht einfach Berlin?
Lustigerweise war „Der Himmel über Berlin“ die erste Idee. Ich war gerade dort und es war Nacht. Der Himmel war so hell. Da wollte ich darüber schreiben, dass der Himmel über Berlin niemals dunkel wird. Aber als ich wieder in Wien war, kam es anders.
Du könntest „Der Himmel über New York“ singen und in Amerika durchstarten.
Gute Idee, vor allem auf Deutsch. Generell ist es so, dass sich Berlin vom Phrasing her nicht so gut ausgegangen ist. Köln vielleicht. Es muss jedenfalls einsilbig sein.
Mir hat der Song auf Anhieb gefallen. Es machen dir im Moment sicher viele Menschen Komplimente zu deiner Musik. Wie empfindet du das?
Schwierige Frage. Es freut mich natürlich total, wenn den Leuten meine Songs taugen. Andererseits kann ich schwer mit Komplimenten umgehen. Ich bin selber mit dem, was ich mache, immer ein bissl unzufrieden und denke, es könnte viel besser sein.
Unzufriedenheit kann ein guter Antrieb sein. In einer Doku über den Fußballer Ronaldo erzählt dieser, dass er nie mit sich zufrieden war. Heute ist er einer der besten Spieler aller Zeiten.
Ich denke auch, dass dieser ein bissl übertriebene Perfektionismus eine gute Antriebsfeder ist. Wenn man zufrieden ist, hört es auf, interessant zu sein.
Du bist 2014 mit „Vielleicht der Sommer“ bekannt geworden. Mein Kollege, unser Musik-Experte Andreas Bovelino, meinte, du hättest es dir einfach machen und weiter leichte Musik machen können, anstatt auf ernstere Lieder umzusteigen.
Ich weiß nicht, aber ein Mitgrund, warum ich im Video zu „Vielleicht der Sommer“ verkleidet bin, war, dass es sehr oberflächlich ist und ich das nicht so gerne mag. Wenn man drüber schreibt, dass es einem gut geht, ist das vielleicht immer ein bissl oberflächlich. Bei traurigen Themen ist es leichter, in die Tiefe zu gehen. Wahrscheinlich habe ich nicht ganz zu dem Song stehen können, weil es nicht ganz meine Art von Musik ist.
Aber du hat den Song doch geschrieben?
Klar hab ich ihn geschrieben. Ich schreibe alle Songs selber. Und manchmal kommt mir eben auch so was aus. Es kommt immer drauf an, wie es mir gerade geht. Aber insgesamt ist mir das Tiefergehende lieber. Ich mache Musik auch nicht primär, um erfolgreich zu sein, sondern weil ich sie gerne mache. Ich will mich auch nicht zu sehr darum kümmern, ob das im Radio läuft oder nicht. Auf Dauer funktioniert es so sicher besser.
Was bedeutet es für einen Künstler im Radio gespielt zu werden?
Vielleicht ist es Tiefstapelei, aber ich habe das Gefühl, dass die Leute, wenn etwas auf Ö3 läuft, das einfach kaufen – egal, was es ist. Ich mache seit Ewigkeiten Musik und jetzt hören mich halt mehr Leute. Das ist super für mich, aber ich bin noch lange nicht da, wo ich hinwill.
Und finanziell? Ist man als Musiker, der im Radio läuft, auf Anhieb besser situiert als jeder normal arbeitende Mensch?
Wer ein Mal im Radio gespielt wird, ist sicher noch nicht besser situiert. Man kriegt natürlich Tantiemen, worauf es sich aber wirklich auswirkt sind die Gagen. Man kann für Auftritte mehr Geld verlangen, beziehungsweise zahlen die Leute mehr Geld, wenn wir wo spielen. Je mehr dich kennen, desto mehr Geld kriegt man. Und da hilft das Radio extrem weiter.
Wie viel kostet ein Auftritt von Lemo?
Das musst du mit meinem Booker ausmachen. Ich habe das nicht in der Hand. Es kommt auch auf die Veranstaltung an. Für ein Festival bekomme ich einen anderen Preis als für eine Hochzeit. Aber das würden wir wahrscheinlich nicht machen.
Weil du das schon hinter dir hast?
Nicht hinter mir. Aber wenn ein Musiker einen Pop-Act aufziehen will, ist es kontraproduktiv, wenn man auf Hochzeiten spielt.
Du hast heuer bei der Deutschen Touren- wagen-Meisterschaft in Spielberg gespielt. Ist es nicht schwierig, vor einem Publikum aufzutreten, das in erster Linie wegen eines Autorennens kommt?
Ich mag es eigentlich gar nicht, irgendwo hingestellt zu werden, um quasi die Hintergrundmusik zu machen. So wirkt das dann oft. Aber manchmal muss man das aus Promo-Zwecken einfach machen. Autorennen haben mit Musik halt wenig zu tun. Die Leute gehen ja in die Boxengasse, um sich die Autos anzusehen.
Dabei hast du denselben Namen wie ein Motorsportler. Du heißt Kinigadner und hast angeblich dieselbe Uroma wie Motocross-Fahrer Heinz.
Du hast dich wirklich gut informiert. Das stimmt. Aber es gibt keinen Kontakt. Ich glaube, meine Oma hatte mal Kontakt mit ihm. Aber wieso sollten wir welchen haben, nur weil wir gleich heißen?
Naja, ihr habt ja beide spannende Karrieren. Worauf müssen sich angehende Musiker deiner Meinung nach einstellen?
Das geht von Absagen bis hin zu Sachen, die einem versprochen, aber nicht eingehalten werden – oder Dinge, die man sich selber vorstellt und die sich ganz anders entwickeln. Ich habe erst kürzlich mit einer Sängerin geredet, der es genauso ergangen ist. Man sieht am Horizont immer wieder Möglichkeiten, die sich auftun könnten, ist voller Hoffnung und Euphorie, und dann wird wieder nix draus. Rückschläge hat man von der Stunde null an.
Außer man hat auf Anhieb „den“ Hit.
Und wird einfach rauskatapultiert. Aber das ist selten der Fall, glaube ich. Ich finde auch, dass es Vorteile hat, wenn man sich langsam etabliert. Schritt für Schritt ist es einfacher. Und wenn es einen immer wieder mal zurückhaut, ist das auch nicht schlecht. Dann bleibt man normal.
Du warst 2015 in der Vorausscheidung zum Song-Contest dabei, bist aber unter den 16 Teilnehmern nicht weitergekommen. War das so ein Rückschlag?
Mir war schon klar, dass ich nicht zum Song-Contest fahren werde, aber ich wäre gerne in die zweite Runde gekommen. Das wäre gut für die Promo gewesen, weil es noch einmal drei Hauptabendsendungen gewesen wären. Aber sonst ist meine Musik nicht für den Song-Contest geeignet.
Damals sind „The Makemakes“ als Sieger zum Song-Contest gefahren. Von ihnen hört man nichts mehr, aber du bist in den Charts.
Ich hab das nicht so verfolgt. Song-Contest können andere besser. Es ist Publicity, aber ich weiß nicht, ob nur positive. Wir haben darüber im Team geredet. Es wäre sicher cool gewesen, hinzufahren, aber ich habe von Anfang an gesagt, dass es nicht zu meinem Image passt. Ich bin einfach nicht der Typ, der im goldenen Paillettenanzug über die Bühne segelt.
Apropos dein Weg: Klingelt es bei dir, wenn ich „Glycerine“ von Bush sage?
Ja, da klingelt es. Das war der Song, mit dem ich meine Stimme entdeckt habe – mehr oder weniger. Soll ich dir die Story dazu erzählen?
Ich bitte darum.
Das war noch in der Schule und ich bin mit einem Freund zusammengesessen, der Gitarre spielen konnte. Ich habe angefangen, ein bissl dazuzuklimpern. Und dann haben wir dieses Lied gespielt, das ich immer schon gerne mochte. Da gibt es eine Stelle, wo es relativ hoch raufgeht im Refrain. Und dann hab ich einfach gesungen – und probiert. Plötzlich hab ich gemerkt, es geht und es fühlt sich extrem gut an. Das war der Moment, wo ich mir dachte: Wow! Total cool, ein arger Moment einfach. Es hat sich irgendwas gelöst auf jeden Fall.
Wie geht es jetzt mit dir weiter?
Jetzt kommt mal die nächste Single raus. Die ist wieder ein bissl oberflächlicher. Mal schauen, ob das besser läuft. „So wie du bist“, heißt sie. Dann werde ich viel live spielen und ich arbeite schon am zweiten Album. Mein Plan wäre, dass es im Herbst 2017 rauskommt.
Mittlerweile ist der Himmel über Wien etwas grau – wie in deinem Lied.
Ja, lustig.
Es sieht nach Regen aus. Möchtest du noch schnell etwas loswerden?
Da tu ich mir schwer. Irgend a wahnsinnige Message ... Okay, habt’s euch gern – nicht, habt’s mich gern, habt’s euch gern! Und seht das Leben positiv. Das ist ein bissl pochen, aber trotzdem.
Lemo, 31, alias Clemens Kinigadner wurde in Oberpullendorf geboren, wuchs in Graz auf und hat zwei Halbschwestern. Sein Geburtsort erklärt sich, weil seine Mutter eine Wassergeburt wollte und das damals nur in Oberpullendorf möglich war. Seither war Lemo aber nie mehr dort. Mit 14 entdeckte er die Musik – auch dank seiner sechs Jahre älteren Halbschwester, die einst ausgiebig Nirvana hörte. Lemo brach die Schule ab und wurde später Tontechniker. Seinen Durchbruch als Musiker hatte er 2014 mit „Vielleicht der Sommer“. Beim „Amadeus“ wurde er bereits zwei Mal als „Songwriter des Jahres“ nominiert. Er lebt mit seiner Freundin Valerie in Wien.
Lemos erste CD heißt „Stück für Stück“ und ist über iTunes oder im Handel erhältlich. Unser Lieblingssong: „Himmel über Wien“!