Nachrichten aus einer anderen Welt
Von Bernhard Praschl
Wenn Künstler ihre Werke ausstellen, erzählt uns das etwas. Es bewegt und berührt uns. Wenn Eve Joy Patzak das macht, ist das wunderbar. Und rätselhaft. Und ein Hoffnungsschimmer. Ihre Zeichnungen sind wie keine anderen. Denn eigentlich ist sie gar keine Künstlerin. Als ausgebildete Klinische Psychologin war die Frau des Filmemachers Peter Patzak in unmittelbarer Nähe zum Gugginger „Haus der Künstler“ Leiterin des „Kinderhauses“ – und so jahrelang von Malereien und Zeichnungen aus einer anderen Welt umgeben. Heute beherbergt das „Kinderhaus“ das „Art / Brut Center Gugging“. Seltsam, wie der Zufall diese beiden Lebenswelten wieder vereint. Eve Joy Patzak, geborene New Yorkerin, hat früher nie zu einem Zeichenstift gegriffen. Ein Leben lang Rechtshänderin, zeichnet sie nun mit der linken Hand. Und sie zeichnet so, als hätte sie ein fertiges Bild im Kopf, das sie für uns Betrachter eben nur so nachzeichnet.
Peter Patzak, Regisseur Jahrgang 1945, seit 1978 mit Eve Joy Patzak verheiratet, zwei Söhne, Fabian und Serge
Der 1. 1. 2013 war Eve Joy Patzaks Schicksalstag. Da wurde es plötzlich mit einem Schlag dunkel in ihrem Leben. Sehr dunkel. Sehr fremd. Ganz anders. Erst ein halbes Jahr später ist sie wieder in ihre eigenen vier Wände zurückgekehrt. Rechtsseitig gelähmt, ihre Sprache ist zerstört. „Drei Monate später hat sie begonnen, ihre Wünsche über Zeichnungen mit der beweglichen linken Hand zu kommunizieren“, sagt Peter Patzak. Sonst teilt sie sich über Augenzwinkern, Nicken und Kopfschütteln mit, nicht immer verständlich. Eine Form der Kommunikation, die wie eine Form von Rätselraten anmutet. Peter Patzak: „Ich habe dann ihre Zeichnungen genau betrachtet, bin ins Atelier gelaufen, holte ein Zeichenbuch und fragte sie, ob sie eine Art von gezeichnetes Tagebuch führen möchte.“ Seit dem 25. November 2013 sitzt seine Frau ab sieben Uhr früh vor einem Papierblock und zeichnet. Sie zeichnet Figuren und Menschen, die allesamt in einer mit ihrer Situation verwandten Stimmung zu sein scheinen. Die Figuren wirken mitgenommen, gefangen, eingeschränkt. Am Anfang fehlte ihnen die rechte Seite. Dann haben sie sich dem Betrachter zu- oder abgewandt. Zuerst zeichnete sie eine Serie von Einzelfiguren, dann folgten in Gruppen arrangierte Menschen. Fast durchwegs gedrehte und geknickte Figuren. Und doch wirken diese sehr positiv. Hauptsächlich sind es Frauen. Dann kamen Kinder hinzu.
Seit ein paar Wochen zeichnet sie auch – in Form eines Baumes – die Natur. Und das alles in einem Strich und ohne Korrektur. Auf diese Weise entstehen mit ungeheurer Regelmäßigkeit drei bis vier Blätter pro Tag. Insgesamt sind es schon etwa 300 Blätter, mit denen sie uns Nachrichten aus ihrer Welt mitteilt. Wir verstehen sicher nicht alles davon. Aber eines, so Peter Patzak, steht fest: „Sie verbringt beim Zeichnen eine gute Zeit. Ich höre sie dabei immer wieder lachen.“ Für ihn wirkt es so, als tausche seine Frau sich intensiv mit ihren Figuren aus. Auffällig ist, dass ihre Geschöpfe über eine große Eigenständigkeit und eine hohe Wiedererkennbarkeit verfügen. Wenn man sie einmal gesehen hat, erkennt man ein und dieselbe Hand dahinter. Oberflächlich betrachtet, scheinen die Figuren sich in einer idyllischen Lage zu befinden. Und doch „passieren“ ihnen Körperhaltungen, die man so vorher noch nie gesehen hat. Im Lauf der letzten Wochen und Monate sahen Freunde und befreundete Neurologen und Künstler diese Zeichnungen und ermutigten Eve Joy Patzak, weiterzuarbeiten. Das gibt ihr Kraft. So sehr, dass sie ihre Zeichnungen auch anderen zeigen will. Erst einmal im Internet. Aus aller Welt trafen überaus positive Reaktionen ein, von Los Angeles bis Madrid, von New York bis Berlin. Vor Kurzem hat auch der Fotograf Pedro Kramreiter ihre Arbeiten gesehen und nahm sie spontan in seine aktuelle Ausstellung „Menschen in meiner Optik“ auf. Denn das trifft auch den Kern ihrer Arbeiten: Eve Joy Patzak zeichnet Menschen in ihrer Optik.
Eve Joy Patzaks Zeichnungen sind noch bis Montag im Rahmen der Fotoschau „Menschen in meiner Optik“ von Pedro Kramreiter zu sehen (Wien 3, Palais Schwarzenberg, Eingang Parkplatz Prinz Eugenstr. , 11-13h, 16-18h) Die Zeichnungen können auch käuflich erworben werden. Von jeder Arbeit werden 34 x 30cm große Fine Art Prints heraus- gegeben. Preis: 88 Euro pro Druck. Der Reinerlös fließt in die Therapieaufwendungen von Eve Joy Patzak.