Leben

Der junge Mann und der Schnee

Wr hätte das gedacht? Bevor Ernest Hemingway sich in den Spanischen Bürgerkrieg stürzte, inParis das Savoir-vivre genoss, in Afrika nach wilden Tieren und in der Karibik nach Schwertfischen Ausschau hielt und schließlich mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, hatte der Autor ein besonderes Gefühl für Schnee entwickelt. Und zwar in Österreich, beim Skifahren in Schruns.


„ ... die Knöchel eng aneinander, tief gebückt in die Geschwindigkeit gelehnt, fielen und fielen wir im stillen Zischen des frischen Pulverschnees“, notierte der Mann der präzis gesetzten Worte über die beiden Winter, die er 1924/25 und 1925/26 mit der damaligen Ehefrau Hadley und dem zweijährigen Sohn „Bumby“ am Montafon verbracht hatte. Nachzulesen ist das in „Paris, ein Fest fürs Leben“, Hemingways Memoiren, die erst posthum, drei Jahre nach seinem Freitod 1961, erschienen sind.


Die Begegnung des alten Mannes als noch „junger Hupfer" und den Bergen jährt sich heuer zum 90. Mal. Für die Einheimischen kein allzu großes Thema mehr. Seit 2008 nach langwierigen Diskussionen ein Ernest-Hemingway-Denkmal in Schruns enthüllt wurde, gibt es fast zu jeder Saison Gelegenheit, sich erneut an den berühmten Gast zu erinnern.

2011 stand der 50. Todestag der Legende an. Der Vorarlberger Journalist und Autor Günther J. Wolf nahm diesen zum Anlass, die schicksalhafte Affäre des jungen, literarisch ambitionierten Amerikaners und der wohlbestallten „Vogue“-Mitarbeiterin Pauline Pfeiffer zur „Silvretta Connection“ (Rhätikon Verlag) hochzustilisieren. „Paris, ein Fest fürs Leben“ (Rowohlt), Hemingways Memoiren, erschienen erst vor drei Jahren in einer Neuübersetzung. „Fiesta“, sein Erstling, an dem der angehende Schriftsteller monatelang in Schruns gefeilt hatte, kam erst vor Kurzem neu übersetzt heraus.


Man merkt, im Montafon führt kein Weg an Ernest Hemingway vorbei. Das will auch keiner. Mit jeder Generation wachsen neue Leser heran. Und immer wieder wird der alte Mann der Literatur neu entdeckt. Montafon-Tourismussprecherin Daniela Vonboun bemerkt jedenfalls „in den letzten Jahren vermehrt das Interesse osteuropäischer Gäste, etwa aus Polen und Tschechien“.


Sie alle betreten erwartungsvoll das Hotel Taube in der Silvrettastraße 1. Die dreiköpfige junge Familie Hemingway logierte dort monatelang in Zimmer 22 mit Vollpension für zwei Dollar am Tag. Bis heute kann man sich in der Gaststube der Berühmtheit nahe fühlen, besonders am Montafoner Tisch mit Schieferplatte, die schon zu seinen Lebzeiten das Hinkritzeln von Spielschulden erlaubt hatte.

Gaschurn und Partenen sind die ältesten Tourismusorte des Innermontafons. In einer Vitrine des Heimatmuseums sind eine alte Schreibmaschine, Erinnerungsstücke und Fotos ausgestellt. Aus einer Zeit, in der das Skifahren noch fest in den Kinderschuhen steckte.

Im Memoiren-Abschnitt „Winter in Schruns“ wird diese Zeit wieder lebendig. Hemingway erinnert sich an ein jungfräuliches Wintersportgebiet, in dem es „weder Skilifte, noch Seilbahnen“ gab, „nur Holzabfuhrwege und Viehsteige, die durch verschiedene Täler ins Hochgebirge führten“. Der Mann aus dem Mittleren Westen war gerade Mitte zwanzig, hatte große Träume, wenig Geld – und musste eine Familie ernähren.

Auf die Idee, in Österreich zu urlauben, brachte Hemingway der damals wie heute günstige Wechselkurs. „Da der österreichische Schilling durch die Inflation an Wert verlor, wurde es für uns immer billiger. Der Schilling ging rauf und runter, insgesamt aber runter.“

Spätestens drei Jahrzehnte danach war „Hem“, wie er von Freunden und Kollegen wie John Dos Passos genannt wurde, ein gemachter Mann. Die Notizen aus den Wintern in Schruns waren neben anderen Erinnerungen in zwei kleinen Überseekoffern im Pariser Ritz gelagert. Die Geschäftsleitung des Nobelhotels musste den Homme de lettres erst bitten, die Relikte aus Europa wieder an sich zu nehmen. Und dann ging es erst so richtig luxuriös zu.


Enkel Seán Hemingway im Nachwort: „Für den Transport dieser kostbaren Fracht an Bord der Île de France über den Atlantik auf die Finca nach Kuba kauften Ernest und seine Frau Mary einen großen Louis-Vuitton-Schiffskoffer mit den in Gold geprägten Initialen ,EH’.“ Ab Sommer 1957 schrieb er an den „Pariser Skizzen“, wie er das Manuskript nannte.


Als Untertitel dazu hat er vielleicht gedacht: „Mit zwei wichtigen Abstechern nach Schruns."

  • Ernest Miller Hemingway, Ggboren am 21. Juli 1899 in Oak Park, Illinois
  • 1917 Lokalreporter beim „Kansas City Star“
  • 1918 Freiwilliger Sanitätseinsatz im Ersten Weltkrieg an der italienischen Front.
  • Schwere Verwundung durch Granatsplitter
  • 1920 Polizeireporter in Chicago
  • 1921 Heirat mit Hadley Richardson und Übersiedelung nach Paris, wo der Autor mit dem Spitznamen „Hem“ als Korrespon- dent für den „Toronto Star“ arbeitet
  • 1926 Romandebüt „Fiesta“ über die „Lost Generation“ erscheint. Neuer Spitzname: „Papa“
  • 1927 Scheidung von Hadley, Heirat mit Pauline Pfeffer
  • 1928 Key West in Florida wird wie später Kuba sein Hauptwohnort
  • 1936 Die Erzählung „Schnee am Kilimandscharo“ erscheint, mit schöner Erinnerung an Schruns
  • 1937 In Key West entsteht „Haben und Nichthaben“
  • 1940 Heirat mit Martha Gellhorn
  • 1946 Heirat mit Mary Welsh
  • 1952 „Der alte Mann und das Meer“ erscheint
  • 1953 Pulitzer-Preis
  • 1954 Nobelpreis für Literatur
  • 1960 Ernest und seine Frau Mary verlassen endgültig Kuba
  • 2. Juli 1961 Am frühen Morgen beendet Hemingway in seinem Haus in Ketchum, Idaho, sein Leben

Ein „Papa“, zwei „Papas“, viele „Papas“. Höhepunkt der „Hemingway Days“ in Key West, Florida, in Erinnerung an den rastlosen Schriftsteller ist stets ein Doppelgänger-Wettbewerb. „Papa Look-Alike Contest“ nennt sich das dann. Von 23. bis 25. Juli ist es wieder so weit.

Der Schauplatz der Show ist natürlich der Tradition verpflichtet: jene Trinkerstätte Ecke Duval und Greene Street, Sloppy Joe’s Bar, in der die Legende bevorzugt einen gehoben haben soll. Mehr als 130 Männer mit markantem Haarschnitt und prägnanter Barttracht haben sich im Vorjahr an dem geschichts- trächtigen Ort eingefunden. Gewinner der dem Original würdig nachempfundenen Trophäe war mit Wally Collins ein 68-jähriger Möbelrestaurator aus Phoenix, der zwar allen anderen Teilnehmern zum Verwechseln ähnlich sah, den jedoch besonders eines auszeichnete: Der unbedingte Wille, trotz tropischer Julihitze im weißen Strickpullover anzutreten.

Heuer wird die humorige Verbeugung vor dem urigen Literaturdenkmal zum 35. Mal veranstaltet. Mit großem Andrang ist zu rechnen, denn in der Party-Minimetropole Key West am südwestlichsten Zipfel der USA lässt man keine Gelegenheit aus, den wohl bekanntesten und schillernds- ten Bewohner der Stadt hochleben zu lassen.

Weitere Programmpunkte der Jubiläumswoche, die am 21. Juli, dem Geburtstag Ernest Hemingways, beginnt: ein Wettfischen, die Preisverlei- hung des von Lorian Heming- way, seiner 63-jährigen Enkeltochter, ins Leben gerufenen Literatur-Wettbewerbs, und „Running of the Bulls“, eine Stierkampf-Spaß-Version.

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