Leben

King Forever

Man kennt ihn als Sänger mit sexy Hüftschwung,  als Rocker mit voller Lippe und in schwarzem Leder. Und man erinnert sich an ihn als aus den Fugen geratener Gigant im weißen Glitzeranzug. Elvis Aaron Presley. Mann der Posen und einer einzigen Mission: Musik. Als körperliches Wrack ist er früh gestorben, in Armut wurde er geboren. Dazwischen aber war längst klar geworden, dass er unsterblich ist. Ab nächstem Donnerstag wird des King in Tupelo, seinem Geburtsort vor 80 Jahren, und in Memphis, seinem Mekka, gedacht. Darüber hinaus auf dem ganzen Globus. Es gibt heute mehr aktive Elvis-Fanklubs auf der Welt als für irgendeinen anderen Menschen. Dieser Mann ist und bleibt eine Sensation! Wieso, das wusste schon John Lennon: „Before Elvis“, erkannte der Beatle früh, „there was nothing.“ Vor Elvis herrschte die totale Leere. Elvis, die Ein-Mann-Revolution – was genau sein Erfolgsgeheimnis war, schien dabei nicht einmal ihm selbst ganz klar gewesen zu sein. Das „Life“-Magazine befragte den King im April 1956, am ersten Höhepunkt seiner Karriere, wie er es schaffe, „alle Ladys in Hysterie zu versetzen“. „Keine Ahnung“, meinte er knapp. „Aber ich hoffe, es hört nie auf.“ So körperbetont wie er gab sich keiner. Auf der Bühne, im Radio, im Film. Wo auch immer in den USA ab Mitte der 1950er-Jahre der Blick hinfiel, Elvis war schon dort. Als Idol. Als Pionier. Und überhaupt. Als Entertainer nahm der King fast alles vorweg.

Der in einer Hütte geborene spätere Showman erfand den professionellen Handel mit Fan-Artikeln, mit „Jailhouse Rock“ den Musik-Clip, mit „Blue Hawaii“ den Flirt mit der Weltmusik. Und mit der TV-Show „Aloha From Hawaii“ das erste via Fernsehsatellit übertragene Konzert eines Solokünstlers. Dabei wäre der Urknall der Popmusik beinahe verpufft. Als Zehnjähriger wurde Klein-Elvis bei einem lokalen Gesangswettbewerb nur Fünfter. Der Preis: Karten für den Jahrmarkt um fünf Dollar. Damals eine große Summe. Ein Fahrrad kostet noch mehr, viel mehr. Ein Gewehr sowieso. Auf beides schielt der Bursche bei jedem Besuch im lokalen Heimwerkergeschäft, dem „Tupelo Hardware“, unverhohlen hin. Nix da, meint Mutter Gladys. Verkäufer Forrest L. Bobo, Jahrgang 1901, holt statt dessen eine Gitarre von der Wand und legt das gute Stück auf die Budel. Macht 7 Dollar 75 Cent plus zwei Prozent Umsatzsteuer. Klein-Elvis winkt ab. Bei seinem kargen Taschengeld ist das nicht drin. Mutter Gladys hat ein Einsehen und legt drauf. Zu Weihnachten wird bei den Presleys die erste Gitarre gestimmt. Der Rest ist Geschichte.

Die Faszination von Speed und Schießgewehren aber sollte bei Elvis lebenslang bleiben. Keine Würdigung von Elvis, ohne den Mann hinter dem Mythos zu erwähnen – Colonel Tom Parker. Der gebürtige Niederländer war 1929 illegal in die USA eingewandert und brachte es in den 1940er-Jahren als Manager von Country-Musik-Stars wie Minnie Pearl und Hank Snow sowie von Filmstar Tom Mix zu einigem Erfolg. Der große Wurf aber gelang ihm am 18. August 1955, als er mit einem aufstrebenden Sänger aus Tupelo handelseinig wurde. 25 Prozent Provision! Besser geht’s kaum. Im Lauf der langjährigen Zusammenarbeit sollte Parker auch nur ein Fehler passieren: 1973 verkaufte er der Plattenfirma RCA die Nutzungsrechte an tausend Elvis-Songs – für geradezu läppische 5,4 Millionen Dollar. Nach Elvis’ Tod und einer Durststrecke in den frühen 1980er-Jahren spielt der King seit 1993 alljährlich relativ konstant gute 50 Millionen Dollar an Tantiemen ein. Damals trat seine gerade 25-jährige Tochter Lisa Marie das Erbe des Monuments an.

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Im Jahr darauf sollte sie mit Michael Jackson den King of Pop heiraten. Eine Ehe, die bloß zwei Jahre hielt. Aber immerhin stellte Lisa Marie die Weichen für die nachhaltige Schürfung des gigantischen Schatzes. Mit Robert Sillerman beauftragte sie einen Medienmogul, der schon einmal zur „Forbes 400“-Liste der bestverdienenden US-Amerikaner zählte, Elvis’ Legende lukrativer denn je zu vermarkten. Als der Autohersteller Audi vor Jahren mit einem „Wackel-Elvis“ warb, war Sillerman sofort zur Stelle, um auf seinen Anteil zu pochen. Fans, die Jahr für Jahr in Memphis Elvis’ wuchtige Wohnzimmer-Garnitur, sein Privatflugzeug, eine DC-10 mit plüschigen Sitzen und Armaturen aus 24-karätigem Gold, und seine Cadillac-Sammlung bestaunen, sorgen ebenfalls für regelmäßige Erträge im Namen des King – in zweistelliger Millionenhöhe. Mehr als eine Milliarde Tonträger wurden von dem tönenden Denkmal bisher verkauft. Dass der Bestseller je zum Ladenhüter werden könnte, ist schier undenkbar. Schon deshalb, weil ständig Neufassungen und verschollen geglaubte Versionen seiner Hits auf den Markt kommen. Alleine in den letzten fünfzehn Jahren erschienen beinahe hundert Alben mit aufgemotzten oder zuvor nie gehörten Titeln.

Und Lisa Marie weiß genau, wann ihr Nachname wieder besonders boomt: zu jedem runden Todes- und Geburtstag. Jetzt ist es wieder so weit. Rechtzeitig vor seinem 80. Geburtstag am 8. Jänner wird eine 3-CD-Sammlung auf den Markt geworfen, die sowohl langjährigen Fans als auch Neo-Rock ’n’ Rollern gefallen soll. „Elvis 80“ (Sony) fächert sein Vermächtnis in eine harte und eine romantische Seite auf. Darüber hinaus wird „Elvis, the pelvis“ mit Remixes etwa von Paul Oakenfold in die Jetztzeit herübergerettet. Wer es nicht zu den mehrtägigen Feierlichkeiten in Tupelo und Memphis mit Konzerten, Paraden und Partys schafft, kann Elvis bis Ende August in der Londoner O2-Arena Referenz erweisen. „Elvis at the O2: The Exhibition of His Life“ bietet mit 345 Artefakten den umfangreichsten Rückblick auf das Leben der Musik-Legende, der bisher in Europa zu sehen war: vom Elvis-Lippenstift bis zum roten 1960er MG Roadster aus dem Film „Blue Hawaii“.Bei so viel Rückschau meint man, längst alles von Elvis zu kennen. Erst vor fünf Jahren ließ sein persönlicher Arzt, George Nichopoulos, mit einer neuen Version des allerletzten Tages von Elvis aufhorchen. Nicht an Drogen oder einem Herzversagen sei der King gestorben, schrieb „Doctor Feelgood“ in einem in den USA viel beachteten Buch – sondern an einer Verstopfung. Aber so etwas will man eher gar nicht wissen ... Entzückend ist hingegen diese Erinnerung an den frühen Elvis. In dem Buch „I Washed Elvis Presley’s Hair“ schildert die heute über 90-jährige Kay Parley, wie sie 1946 vor einem Motel in Montana einem Burschen die Haare wusch. Zum Dank sang er für sie ganz allein zur Gitarre. „Es machte Spaß“, erinnert sich die Dame. Dass der Bub Elvis war, und diese Haare einmal ein berühmtes Markenzeichen sein würden, sollte sie erst danach erfahren. Besser spät als nie ...