Leben

Die Vielgeliebte

Plötzlich waren sie da. Mit Blumen in den Haaren, bunten Batik-Kitteln und Jesus-Schlapfen. Mit Platten von Janis Joplin, Jimi Hendrix und Santana. Und Hermann Hesses Siddhartha als Lektüre. Vor fast 50 Jahren ist die erste Generation der Blumenkinder-Karawane, vorwiegend aus Deutschland und vor allem aus München, hier eingetroffen. Auf einer damals noch relativ unbekannten, Touristen-freien Insel im Mittelmeer. Auf Elba, im kleinen Bergdorf Capoliveri. Hippies, denen die Reise nach Goa, Ibiza, oder ins kalifornische Mendocino zu anstrengend war, setzten sich in ihre klapprigen 2CV´s oder VW-Busse und zogen in den Süden. Aber nicht dorthin, wohin sie noch vor ein paar Jahren mit ihren Eltern mitfahren mussten, nach Bibione, Caorle oder Jesolo, in die Frühstückspensionen Mimosa oder Miramare, sondern ein Stück weiter hinunter. In die Toskana. In Piombino südlich von Livorno setzte man mit der Fähre nach Portoferraio über. Fröhlich kreischend begleiteten die Möwen die Überfahrt, die Luft schmeckt nach Salz, der Wind bläst durch die Haare. Das erste Bier. Der erste Joint. Und ein Hauch von freier Liebe.

Damals war Capoliveri im Südosten Elbas noch ein wunderbar verschlafenes Dorf mit der Piazza Matteotti Mittelpunkt, von wo man in drei Richtungen hinunter zum Meer sieht. Und – schon damals – war das Zentrum des winzigen Universums die Bar Rodriguez. Es ist der Platz, von dem aus man wie aus einer Loge alles sieht, weil sie am höchsten liegt. Das ist für die Menschen hier schon immer wichtig, denn Capoliveri heißt Kap der Freien. Früher lebten hier Freibeuter, für die der beste Überblick entscheidend war. Und Sträflinge durften sich innerhalb des Bergdorfes frei bewegen.


Auch für die freiheitsliebenden Hippies der ideale Platz. Zwischen damals noch auf Eseln reitenden Weinbauern sind sie in ihren mit Psychedelic-Motiven bemalten Aussteiger-Autos hinauf in das kleine Bergdorf Capoliveri gefahren. Schnell ist die Bar Rodriguez gefunden. Schnell haben sie sich mit dem Barman Dino Donatelli angefreundet, der für die bunten Cocktails nur frische Früchte verwendet. Und schnell haben sie ihren Lieblingsstrand gefunden, die baia dell’innamorata, die Bucht der Liebenden.


Ganz in der Nähe hatte sich schon ein paar Jahre zuvor Regisseur Bernhard Wicki drei Hektar Land mit Oliven- und Obstbäumen gekauft. 1975 drehte er auf der Insel „Die Eroberung der Zitadelle“, einen Film über die Sehnsucht nach dem Süden, den Schriftsteller, der von hier nie mehr in seine Heimat Deutschland zurückkehren will. Fast alle Bewohner von Capoliveri fungierten damals für Signore Wicki als Komparsen.


Es ist lange her, seit ich zum ersten Mal auf Elba, in Capoliveri war. Ich habe mir damals in Mario’s Pelletteria einen Gürtel mit handgetriebener Silberschnalle gekauft. Ein Gürtel, mit dem man sich wie Dennis Hopper in Easy Rider fühlt. Sogar wenn man statt auf der Harley nur mit einem Moped unterwegs ist. Jetzt, fast 30 Jahre später, kam der Gürtel mit. Mario und sein kleines Ledergeschäft gibt es noch immer, er trägt weiterhin – auch abends – die Ray-Ban-Sonnenbrille und gibt sich cool wie immer. Für die zwei (drei …) zusätzlichen Löcher, die er mir stanzt, lade ich ihn auf einen Campari Soda ein. Ja, den trinkt man hier noch. Aber nicht bei Rodriguez, troppo tedeschi, zu viele Deutsche, sondern im Piccole ore. Hier, wo Paolo, einer der vielen einheimischen Künstler, gerne und oft sitzt. Mit dem Löffel, den er in den Kaffee tunkt, malt er auf weißem Karton. Das Tyrrhenische Meer, Schirmpinien, Zypressen. Einzigartig – sepiabraun.

Die Inselhauptstadt Portoferraio mit seiner stimmungsvollen Altstadt

Elba ist schon immer ein idealer Platz für Aussteiger und Künstler, Naturliebhaber und Menschen, die Urlaub abseits von Massentourismus suchen. Mehr als die Hälfte der Insel ist Naturschutzgebiet, bis heute haben sich die Bewohner erfolgreich gegen lokale Mafiosi und die Mailänder Immobilienhaie gewehrt: Man sieht kaum einen Baukran, die Häuser auf Elba sind zumeist niedrig geblieben, in warmen, mediterranen Farben. Ocker, zartes Gelb, gebrochenes Orange. Zubetonierte Buchten, Mega-all-inclusive-Clubs und Monster-Shopping-Center, die an die Tristesse amerikanischer Kleinstädte erinnern, findet man auch heute noch nicht.

Die Besucher der größten Insel des Toskanischen Archipels erwarten pittoreske, sich in den Hügeln fast versteckende Orte. Im Frühling und Herbst überraschen auf den serpentinenreichen Straßen noch Wildschweinrudel, nachts tanzen die Leuchtkäfer. Und zirpende Zikaden vervollständigen den Eindruck eines kitschig-romantischen Urlaubs. Eindrücke wie aus einem Klischee-Katalog. Es duftet nach Rosmarin, Thymian und Wacholder, zwischen riesigen Macchia-Büschen, Pinien und Zypressen gibt es mehr als 150 Badebuchten – mit idyllischen Sandstränden oder an schroffen Steilküsten. In den Wäldern finden Schwammerlsucher mehr als 200 verschiedene Pilzsorten. Von den Wanderwegen auf die bis zu tausend Meter hohen Hügelzüge hat man einen atemberaubenden Blick hinunter zum türkisfarbenen Meer. Am spektakulärsten vom Granitgipfel Monte Capanne. In Elbas wildem Westen finden Mountainbiker, aber auch kurvensüchtige Vespa-Fans, ideale Bedingungen für ihre Rundkurse um den 1.019 Meter hohen Monte Capanne.


In muschelförmigen Sandstrand-Buchten erleben familiär geführte Hotels aus den 1960er-Jahren eine Renaissance. Urlaub wie früher. Auf der Terrasse präsentiert mittags der primo cameriere, der Oberkellner, in seinem cremefarbenen Blazer auf dem Silbertablett den Tagesfang der Fischer. Der Weißwein im Tonkrug ist klirrend kalt, man gönnt sich doch ein Tiramisu. Auch wenn die Pasta üppig war. Das Mittagsschlaferl im Schatten kann kommen …

Inselalltag auf Elba: Die Sonne fällt ins Meer, die Schiffe werden auf Hochglanz poliert, Kinder genießen ausgelassen ihre Ferientage und einkaufen macht endlich wieder Spaß ...

Napoleon Bonaparte. An ihm kommt man auf Elba nirgends vorbei. Aqua Fonte Napoleone. Birra Napoleon. Pizza Napoleon. Als Erinnerung an den verehrten Ex-Kaiser weht überall die von Napoleon selbst entworfene Flagge – weiß mit roten Diagonalstreifen und drei Bienen. Nach seiner Niederlage vor 201 Jahren gegen die alliierten europäischen Mächte war der Korse gezwungen, die Herrschaft über ein Weltreich gegen die 300 Tage dauernde Regentschaft über Elba und seine 10.000 Einwohner einzutauschen. Verkleidet als russischer General landete er mit der englischen Fregatte Undaunted (unverdrossen) pompös, pathetisch posierend unter einem Baldachin, auf der Insel. Jubelnd empfingen ihn die Einheimischen im Hafen von Portoferraio mit Salutschüssen. Bereits nach kurzer Zeit entwarf Napoleon Strategien für bessere Lebensbedingungen und unverhofft raschen Wohlstand. Salinen und Erzminen ließ er ausbauen, Obstbäume pflanzen, Sümpfe trockenlegen, Felder und Weinberge kultivieren. Alle größeren Orte erhielten Abwasserkanäle, die Gassen Pflastersteine. Napoleons mehr als tausendköpfige Entourage von Lakaien, Beamten und Soldaten wurde von der Bevölkerung ebenso freundlich behandelt wie der Ex-Kaiser im Exil selbst.


Doch Napoleon fand auch Zeit für Entspannung. Vor der Wallfahrtskirche Madonna del Monte, versteckt in den Hügeln von Marciana, ließ er ein Zelt errichten. Um in Ruhe lesen zu können und um Besuche zu empfangen. Wie seine Geliebte Maria Walewska, die Napoleon Bonaparte 1807 auf einem Ball in Warschau kennengelernt hatte und seit damals liebte und bewunderte. Sieben Jahre später besuchte die polnische Adelige, nach dem Tod ihres Mannes, Napoleon auch im Eiland-Exil auf Elba. Der 45-Jährige Feldherr und die Mätresse sollen – erzählt Roberto Peria, Bürgermeister von Portoferraio, schmunzelnd – im September 1814 zwei Tage und zwei Nächte voller hemmungsloser Leidenschaft gemeinsam verbracht haben. Im Zelt vor der Wallfahrtskirche.

Hotel Desirée


Ein Hotel, das an die schönsten Italienurlaube der Kindheit erinnert. Allerdings an jene, die man sich nie wirklich leisten konnte. Direkt an der Bucht von Spartaia bei Procchio, an einem herrlichen Privatstrand gelegen, hat man den Geruch des Pinienwaldes in der Nase. Hier können Kinder noch richtige Ferien fern aller Cluburlaube genießen. Im Restaurant über dem Meer der fangfrische Fisch und die göttlichste pasta asciutta Italiens … das Tischtuch und die Servietten sind so blitzweiß gestärkt, dass sie im Sonnenlicht blenden. Ein Schwärmen, eine Sentimentalität, ein Sommerurlaub, den es immer noch gibt.
www.desireehotel.it

Villa Ottone


Östlich der Bucht von Portoferraio gelegen, liegt diese imposante weiße Villa aus dem 19. Jahrhundert direkt am Meer in einem großen Park. Für anspruchsvolle Urlauber, die sich den Luxus dieser alten Eleganz und diesen zauberhaften Charme leisten können, DER Platz, um auf Elba im Sommerurlaub zu residieren.
www.villaottone.com

Agricola Sapereta


Ein Landgut, das für die Wein-Produktion bekannt ist, bietet nicht nur ruhiges Wohnen zwischen Weinbergen, Olivenhainen, Palmen und Orangenbäumen, es liegt auch sehr schön zwischen Porto Azzurro und Capoliveri. Und: Man wohnt hier nicht nur entspannt, man kann auch sehr, sehr gut essen.
www.sapereta.it

Ristorante Capo Nord


An der Küstenspitze von Marciana Marina gelegen, kann man einfach nicht besser Essen und gleichzeitig der Sonne zusehen, wie sie im Meer versinkt.
www.ristorantecaponord.it

La Lucciola


Sterne am Küchenhimmel der Familie Frateschi, direkt am Strand von Marina die Campo. Hier wird mit großer Begeisterung und Können gekocht, bewirtet und gefeiert.
www.lalucciola.it

Ristorante Publius


Nicht nur ein 360° Panoramablick wird in diesem kleinen Lokal in Poggio geboten. Das stilvoll renovierte Steinhaus im Landesinneren ist eine Institution seit 1970, die man bei seinem Elba-Urlaub nicht versäumen sollte.
www.ristorantepublius.it