Jeanette Biedermann über Selbstwert
Von Barbara Reiter
freizeit: Frau Biedermann, haben Sie je überlegt, sich einen Künstlernamen zuzulegen?
Jeanette Biedermann: Ich habe ja einen, denn eigentlich heiße ich Jean. Aber den Namen hat sogar mein Opa immer falsch ausgesprochen. Deshalb habe ich das „ette“ hinten drangehängt. Das ist leichter.
Und Ihr Nachname? Viele Künstler nützen den Namen, um ein Image zu kreieren. Stört das „Bieder“ im Namen da nicht?
Ich habe mir schon am Anfang meiner Karriere gedacht: „Hey Leute, ich heiße nun mal so!“ Es ging mir immer um die Ehrlichkeit. Nur das Jeanette ist ein bisschen geschwindelt. Hätte ich riskieren sollen, dass ich Marianne Fischer heiße? Biedermann ist doch ein Name, wie er nicht schöner im Buche stehen kann.
Helene ist mit dem Namen Fischer auch ganz gut gefahren.
Bei Helene Fischer fällt mir gleich der rote Glitzeroverall ein. 2003 habe ich bei meiner „Break-On-Through-Tour“ einen roten Glitzer-Overall getragen. Im Nachhinein dachte ich mir: „Das geht gar nicht!“ Und dann sehe ich den Overall 2014 bei Helene Fischer wieder. So schlecht war die Idee also nicht. Meiner hatte damals allerdings keine Schulterpolster. Ich hab ihn leider nicht mehr. Aber wie man sieht, kommt alles wieder. Man darf nichts wegwerfen.
Haben Sie denn keinen Stylisten, der Ihren Kostüm-Fundus betreut?
Um Gottes Willen! Jetzt auch noch wen, der mich anzieht oder was? Bitte nicht! Das hatte ich alles. Ich komme gut alleine zurecht.
Es heißt oft, dass im Show-Geschäft nichts dem Zufall überlassen ist. Was hat es mit dem auffälligen Schmuck auf sich, den Sie tragen?
Unser jüngstes Album heißt „Indianerehrenwort“. Dazu habe ich einen Look kreiert. Er geht in Richtung Hippie, Festival und Bohemian. Außerdem mag ich Dreiecke sehr gerne. Es hat im Sonderangebot fünf Euro gekostet. Und den Gürtel habe ich gekauft, als ich noch bei „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ gespielt habe. Er ist zehn Jahre alt.
Das klingt sehr bescheiden. Führt man denn als TV und Bühnenstar nicht auch gerne ein bisschen ein Glamour-Leben?
Wenn ich mir das Leben der Superreichen im Fernsehen angucke, denke ich mir oft: „Hoffentlich unterstützt ihr auch Menschen, denen es nicht so gut geht.“ Der Ausgleich ist wichtig. Wir haben doch alles, was man zum Leben braucht. Essen, ein schönes Zuhause, ein Bett und liebende Menschen. Wie viel Klunker wollen wir noch tragen? Das Einzige, wofür ich wirklich viel Geld ausgebe, ist gutes Essen. Da lege ich Wert auf Qualität. Aber ob ein Mantel jetzt 10.000 Euro kostet: Das steht doch nicht hinten drauf. Wohlfühlen ist das Entscheidende.
Essen ist bei vielen prominenten Frauen ein heikles Thema. Wie sehr verspüren Sie den Druck, schlank sein zu müssen?
Das ist immer so ein Thema. Ich versuche vor allem, mich gesund zu ernähren. Ich bin kein verhungertes Mäuschen, aber natürlich will ich auch nicht dick werden, weil es ungesund ist und einen träge macht. Nach dem Winter bin ich immer ein bisschen pausbäckig. Auf Promo-Tour mache ich auch weniger Sport. Aber wenn ich Theater spiele, habe ich am Vormittag wieder Zeit. Dann werde ich auch wieder stramm sein. Im Moment habe ich halt ’ne kleine Steppdecke.
Sie haben vorhin Ihr jüngstes Album angesprochen. Sie haben 2012 mit Ihrem Mann und einem Freund die Band „Ewig“ gegründet. Warum sind Sie nicht Solokünstlerin geblieben?
Damals habe ich gerade an einem englischen Album gearbeitet und habe Abstand gebraucht. Jörg und Christian haben gemeinsam deutsche Lieder geschrieben. Ich dachte, wenn ich mal da mitmache, fällt mir für mein Album wieder was ein. Die Lieder, die wir dann gemeinsam geschrieben haben, waren aber so toll, dass wir es nicht übers Herz gebracht haben, sie wegzugeben. Deshalb die Band.
Sie sind nicht nur Songwriterin, sondern auch Schauspielerin, Sängerin und Kinderbuchautorin. Geht es Ihnen um Vielseitigkeit oder muss man als Künstler heute breiter aufgestellt sein, um überleben zu können?
Ich habe früh erkannt, dass man aktiv und fleißig sein muss. Angefangen habe ich mit der Musik. Wenn du als junges Mädchen deine Lieder von Produzenten geschrieben bekommst, ist das toll. Aber wenn du wirklich eine Künstlerin bist, solltest du selbst kreativ sein – in jedem Bereich. Und das habe ich einfach durchgezogen.
Eine bewundernswerte Entschlossenheit. Woher kommt sie?
Ich kenne Selbstzweifel natürlich auch – wie jeder Mensch. Aber im Grunde bin ich sehr sicher in meinem Gehen und Sein. Was soll schon passieren? Ich mache nur Musik, ich spiele nur Theater, ich schreibe nur ein Buch. Ich meine, ich operiere nicht am offenen Herzen. Das wäre Druck! Aber das Leben eines anderen Menschen hängt nicht davon ab, ob ich funktioniere. Bei mir ist alles Spaß. Und genau das will ich transportieren: Leichtigkeit!
Mussten Sie für Ihren Erfolg je kämpfen?
Meine Eltern sind 1989 mit mir und einer Reisetasche in den Westen geflüchtet. Damals habe ich gelernt, dass man mutig vorangehen und kämpfen muss, wenn man etwas will. Ich habe für alles, was ich erreicht habe, hart gearbeitet. Andere sind in Clubs gegangen und haben sich von Paparazzi fotografieren lassen, während ihnen der Rock hochgeflogen ist. Ich habe zuhause eigene Lieder geschrieben und versucht, mich weiterzuentwickeln. Irgendwann hatte ich dann auch den Mut, Theater zu spielen und andere Dinge auszuprobieren.
Trotzdem steht Ihr Namen vor allem für Telenovela. Das Genre ist im Schauspielfach nicht sehr angesehen. Haben Sie Ihr Engagement bei „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ und „Anna und die Liebe“ je bereut?
Image interessiert mich nicht. Ja, ich habe in einer „Soap“ gespielt und zwar in der erfolgreichsten Soap in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Mein Schauspiel-Debüt bei „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ habe ich 1999 vor acht Millionen Menschen gegeben. Das ist ein geiler Anfang, finde ich. Und „
Anna und die Liebe“ war eine der erfolgreichsten Telenovelas von Sat 1. Abgesehen davon habe ich sieben Filme gedreht. Da waren tolle Projekte dabei, von Tatort bis Rosamunde Pilcher.
Womit sind Sie derzeit beschäftigt?
Ich spiele mit meinem langjährigen Freund Hugo Egon Balder in Köln Theater. „Aufguss“ ist eine wahnsinnig lustige Verwechselungskomödie. Wir machen nur Halligalli. Das ist großartig. Nach den Serien habe ich zuerst klassisches Theater gespielt. Bei „Tod und Teufel“ lacht natürlich bis zum Schluss keiner. Ich habe dann zu Hugo gesagt: „Ich will was Lustiges machen.“ Da kam er dann mit der Komödie „Aufguss“ um die Ecke.
Wie und wo leben Sie eigentlich, wenn Sie nicht gerade am Arbeiten sind?
Ich lebe gemütlich in Berlin mit einem sehr liebevollen Mann, einer tollen Familie und zwei langhaarigen weißen Miezekatzen an meiner Seite. Ich habe alles, was ich brauche.
Das klingt ein bisschen nach Telenovela. Sie sind mit Ihrem Mann Jörg Weißelberg seit zehn Jahren zusammen, drei davon verheiratet, und sind auch beruflich ein Paar. Es kann doch nicht immer Friede Freude, Eierkuchen sein?
Das ist es in einer Telenovela ja auch nicht. Wir haben bei „Anna und die Liebe“ ja auch den ersten Prinzen sterben lassen. Da konnten wir ihr den zweiten nicht auch noch nehmen. Aber das Ende ist immer eine Hochzeit. Bei uns in der Band ist es so, dass wir ja nicht bei einem Casting zusammengewürfelt worden sind. Wir haben uns aus freien Stücken dazu entschlossen. Und ich habe im Laufe der Jahre gelernt, meine schlechte Laune nicht an meinen Mitmenschen oder an meinem Partner auszulassen. Das tut man doch niemandem an.
Grundsätzlich nicht. Im Alltag ist das nur nicht immer so einfach.
Nehmen wir eine Mutter von drei Kindern als Beispiel. Ich denke nicht, dass sie ihre schlechte Laune beim Frühstück an ihren Kindern auslässt. Ich würde das jedenfalls nicht tun. Aber ich muss auch sagen, dass ich das große Glück habe, dass in meinem Leben nicht viele Sachen passiert sind, die mich wirklich umgeworfen haben.
Sie wirken auch sehr entspannt. In der Bunten war vor einigen Monaten zu lesen: „War sie beim Beauty-Doc?“ Was geben Sie darauf als Antwort?
Ach, ich bin nur stark geschminkt. Ich verwende nicht mal teure Cremen. Es gibt Bioprodukte, die acht, neun Euro kosten und wunderbar sind. Derzeit verwende ich ein Karottenöl aus der Drogerie um vier Euro. Das macht die Haut ganz zart, vor allem im Winter. Ansonsten schaue ich mir gerne an, was Stiftung Warentest und Ökotest empfehlen. Damit bin ich immer gut gefahren. Meine Hautärztin hat mir in kleine Fläschchen auch Hyaluron abgefüllt. Das ist Feuchtigkeit pur.
Ihr ultimatives Schönheitsgeheimnis lautet also: Natur pur.
Zusätzlich empfehle ich: Glücklich sein! Nichts macht mehr Falten, als unglücklich zu sein und traurig zu schauen. Sieht man das Glas hingegen halbvoll, kriegt man nur die guten Falten und nicht die schlechten.
Sie haben während unseres Gesprächs mindestens eineinhalb Liter Tee getrunken. Ölen Sie so Ihre Stimme?
Ich bin einfach ein absoluter Tee-Junkie. Man muss Grünen Tee ja immer besonders zubereiten. Das Wasser muss eine bestimmte Temperatur haben und der Tee eine gewisse Zeit ziehen. Das ist unterwegs schwierig. Aber ich habe eine Firma gefunden, die grünen Tee in Kapseln abfüllt. Die gibt man dann in einen Behälter und kann den Tee bis zu fünf Mal aufgießen, ohne dass er bitter wird. Grüner Tee ist einfach toll, wenn man weiß, was der alles kann. Ich weiß so gut wie von jedem Lebensmittel, was es mit uns macht. Sie können mich auch testen.
Schwierig auf die Schnelle. Was hilft gegen Falten?
Auf jeden Fall Nachtkerzenöl, weil das von innen die Haut aufpolstert. Lebensmittel müsste ich jetzt nachdenken. Aber ich kann Ihnen sagen, was nach einer Alkoholnacht hilft.
Bitte, das kann man immer brauchen!
Man muss auf jeden Fall Artischocken zu sich nehmen und Grünen Tee. Die Bitterstoffe sind ganz wichtig für die Leber und reinigen den Körper ganz schnell. Dazu noch Brennesseltee, damit der Körper entschlackt und schnell neue Flüssigkeit rein kann.
Was tun gegen Schlaflosigkeit?
Das ist leicht. Da helfen Baldrian, Lindenblüten, aber auch Kamille.
Woher kommt Ihr Interesse für dieses Thema?
Wenn ich etwas esse, will ich wissen, was es mit mir macht. Und da google ich dann. In den Jahren hat sich einiges an Wissen angesammelt. Ich liebe Fisch, mageres Fleisch, jegliche Art von Gemüse und Quinoa, Hirse oder Buchweizen. Ich habe immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich mir Chemiefraß reinhaue. Meistens bin ich danach auch aufgebläht.
Ein Leben ohne Sünden ist aber auch langweilig. Finden Sie nicht?
Ich trinke ja auch gerne Wein, vor allem hier in Österreich. Man muss halt die Balance finden. Wenn ich zum Beispiel Lust auf einen Burger habe, gehe ich in einen richtig geilen Burgerladen, in dem der Burger aus Vollkornbrot besteht, das Fleisch hochwertig und der Salat frisch ist. In Berlin gibt es da richtig gute Läden.
Womit beschließen wir unser Gespräch, außer mit Heißhunger auf Burger?
Keine Ahnung. Denken Sie sich was aus. Obwohl: Mit ’nem schallenden Gelächter. Das finde ich eigentlich schön.
Jeanette Biedermann, 35, wurde am 22. Februar 1980 als Einzelkind in Ostberlin geboren. Schon mit sechs Jahren trat sie als Akrobatin im Kinderzirkus auf. 1989 flüchtete sie mit ihren Eltern in den Westen. Neun Jahre später wurde sie „Bild-Schlagerkönigin“ – der Beginn ihrer Karriere und das Ende ihrer Friseurlehre bei Star-Coiffeur Udo Walz. Ab 1999 startete Biedermann auch im Fernsehen durch und wurde Soap-Star. Bis 2004 war sie in „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ zu sehen. Von 2008 bis 2012 spielte sie die Hauptrolle in der Telenovela „Anna und die Liebe“. Derzeit singt Biedermann in der Band „Ewig“, die sie 2012 mit dem Musiker Christian Bömkes und ihrem Mann Jörg Weißelberg gegründet hat. Das Paar ist seit zehn Jahren zusammen und hat noch keine Kinder, dafür aber zwei Katzen.
Jeanette Biedermann hat zuletzt mit ihrer Band „Ewig“ das Album „Indianerehrenwort“ veröffentlicht. Derzeit ist sie mit Hugo Egon Balder in der Komödie „Aufguss“ im „Theater am Dom“ in Köln zu sehen. www.theateramdom.de