Guten Morgen!
Von Annemarie Josef
Schlafen ist so wichtig wie atmen, essen und trinken. Denn nur ausgeschlafen können wir frisch und wach in den neuen Tag starten. Mauersegler schlafen im Flug, Delfine beim Schwimmen, Kühe, Pferde und Giraffen im Stehen. Und auch der Mensch scheint punkto Schlafgewohnheiten vielseitiger zu sein als man meinen möchte. Sokrates zum Beispiel beherrschte die Kunst, sich als eine Art stehende Säule stundenlang der äußeren Welt zu entziehen – in dieser Zeit war er nicht ansprechbar, völlig in sich versunken und konnte so angeblich besser entspannen als im Bett. Eigentlich seltsam, dass wir zur Erholung erst stundenlang die Augen schließen müssen, um in diesen Zustand zu gelangen, in dem die bewusste Wahrnehmung von Geräuschen, Gerüchen, und Gedanken gedrosselt wird. Obwohl: Manche scheinen dafür schlicht keine Zeit zu haben. „Du kannst schlafen, wenn du tot bist“, formulierte es Rainer Werner Fassbender. Dabei wäre es wohl am gesündesten, jeder hätte die Möglichkeit genau dann zu ruhen, wenn er müde ist. Die Realität ist aber eine andere. Heute schläft der Mensch durchschnittlich etwa eine Stunde pro Tag weniger als noch vor hundert Jahren. Computer, Fernseher, Smartphones sowie die moderne Lebens- und Arbeitsweise bringen unseren 24-Stunden-Rhythmus durcheinander. „Wir suchen das Licht, wenn wir Dunkelheit brauchen, und die Dunkelheit, wenn wir Helligkeit benötigen“, kritisiert Wissenschaftsjournalist Peter Spork in seinem neuen Buch „Wake up!“ (Carl Hanser Verlag, 18,90 €, ab 29. September erhältlich) – was auf Dauer negative Folgen habe. Spork plädiert deshalb für die Abschaffung des Weckers, der Sommerzeit – und für die „Wiederentdeckung“ unserer inneren Uhr. Ein Weckruf für eine „ausgeschlafene Gesellschaft“, die gesünder wäre. Denn ein Leben gegen die Zeit verursacht Schlafmangel, verringert die Leistungsfähigkeit und letztlich auch unser Wohlbefinden. Was die moderne Schlafforschung über alte und moderne Schlaf-Mythen zu sagen hat und was es außerdem über guten und gesunden Schlaf zu wissen gilt, lesen Sie weiter unten.
Reichen fünf Stunden schon? Und ist jemand faul, wenn er zehn Stunden schläft? „Es geht nicht um die Quantität, sondern um die Qualität. Wie viel Schlaf man braucht, ist individuell“, sagt der Neurologe und Schlafmediziner Michael Saletu vom Schlaflabor Rudolfinerhaus in Wien. Dabei sei der Kernschlaf in der ersten Nachthälfte der wichtigste für die Erholung. Im Schnitt braucht der Mensch etwa sieben Stunden Nachtruhe. Sich bereits nach fünf Stunden wach zu fühlen, ist aber genauso okay. Es gibt ein natürliches individuelles Schlafbedürfnis. Dieses hängt von unserem Alter, den Genen und der inneren Uhr ab. Wer seinen eigenen Rhythmus jedoch auf Dauer ignoriert, wird sich immer schlapp fühlen.
Ein durchschnittlicher Schläfer wacht bis zu 28-mal pro Nacht auf. Doch meisten sind diese Phasen so kurz, dass er sich nicht erinnert. Deutschlands prominentester Schlafexperte Jürgen Zulley, Autor der „kleinen Schlafschule“ (Herder Spektrum), plädiert für eine gewisse Gelassenheit, wenn man nachts aufwacht und das auch registriert. Gedanken, die jetzt nur darum kreisen, unbedingt wieder einschlafen zu müssen, um am nächsten Tag fit zu sein, können tatsächlich dafür sorgen, dass man wach bleibt und dadurch nicht mehr zur gewünschten Nachtruhe findet.
Das Englischbuch unter das Kopfkissen zu legen reicht nicht aus. Wer aber Vokabeln lernt und diese vor dem Schlafengehen wiederholt, festigt das Gelernte im Schlaf und kann es tags darauf leichter wieder abrufen. Klavier spielen oder Tennis zu lernen festigt sich ebenfalls im Gehirn. Und auch Probleme können, nachdem wir „einmal drüber geschlafen haben“, leichter gelöst werden. Das passiert in unterschiedlichen Schlafphasen. Vereinfacht gesagt: In der ersten Nachthälfte wiederholt das Gehirn gelernte Vokabeln, in der zweiten Bewegungsabläufe wie beim Sport, Musizieren oder Autofahren.
Das Englischbuch unter das Kopfkissen zu legen reicht nicht aus. Wer aber Vokabeln lernt und diese vor dem Schlafengehen wiederholt, festigt das Gelernte im Schlaf und kann es tags darauf leichter wieder abrufen. Klavier spielen oder Tennis zu lernen festigt sich ebenfalls im Gehirn. Und auch Probleme können, nachdem wir „einmal drüber geschlafen haben“, leichter gelöst werden. Das passiert in unterschiedlichen Schlafphasen. Vereinfacht gesagt: In der ersten Nachthälfte wiederholt das Gehirn gelernte Vokabeln, in der zweiten Bewegungsabläufe wie beim Sport, Musizieren oder Autofahren.
Morgenmuffelei ist kein Zeichen für fehlenden Schlaf. Aufzuwachen dauert einfach seine Zeit, da hat jeder seinen eigenen Rhythmus. Wichtig ist aber, zu beobachten, wie man sich tagsüber fühlt – das beste Indiz dafür, ob man gut geschlafen hat oder nicht. Wer oft unkonzentriert, schlapp und antriebslos ist, sich wie gerädert fühlt, könnte nachts auch Atemstillstände oder einen unruhigen Schlaf haben (etwaige Krankheiten sollten vom Arzt ausgeschlossen werden). Wer sich aber tagsüber wohl und wach fühlt, kann davon ausgehen, dass auch die Nacht eine gute war.
Der letzte bekannte Weltrekord in Sachen Schlafentzug liegt bei 11 Tagen und 11 Nächten, 266 Stunden sind es, die der Brite Tony Wright im Jahr 2007 ohne Schlaf durchgehalten hat. Er sei imstande, abwechselnd die eine oder andere Gehirnhälfte abzuschalten, ähnlich wie es Delphine tun, behauptete Wright. Untersuchungen und Beweise gibt es dazu nicht. Schlafentzug wird sowohl als Foltermethode eingesetzt, als auch in Maßen als Hilfe gegen Depressionen. Bei den meisten Menschen reichen bereits vier bis fünf Tage ohne Schlaf für einen lebensbedrohlichen Zustand, weil das Immunsystem angegriffen wird. Nach 48 Stunden ohne Schlaf entsprechen Konzentration, Sprache und Aufnahmefähigkeit dem Zustand eines Menschen, der zwei Flaschen Wein getrunken hat.
Vorschlafen geht nicht
Wer versucht, auf Vorrat zu schlafen, tut sich nichts Gutes. Denn der erholsame Tiefschlaf findet in der ersten Nachthälfte statt. Wer mehr als nötig schläft, träumt nur länger und bringt das Gehirn so auf Hochtouren. Das kann dafür sorgen, dass man gerädert aufwacht. Aber: Jeder kann Schlaf nachholen: Nach einer durchwachten Nacht am besten nicht tagsüber, sondern erst zur gewohnten Schlafenszeit ins Bett gehen, so kommt man wieder in den Rhythmus.
Der Mittagsschlaf oder „Powernap“ macht aus jedem Mittagstief ein Tageshoch. Wichtig allerdings ist, nicht in die Tiefschlafphase abzutauchen, die in der Nacht so wichtig ist. Deshalb sollte man nicht mehr als 15 bis 20 Minuten ruhen. Keine Zeit? Sie können nicht vom Schreibtisch weg? Machen Sie es wie Salvador Dalí: Der Meister des Surrealismus soll einen Löffel in die Hand genommen haben, bevor er sich auf seinem Sessel zurücklehnte und die Augen schloss. Als er einnickte, fiel ihm der Löffel zu Boden, was ihn weckte. Für ihn war das genau der richtige Zeitpunkt, um sich wieder frisch zu fühlen.
Mit Einbruch der Dunkelheit wird in der Zirbeldrüse des Gehirns das Schlafhormon Melatonin freigesetzt. Es senkt die Lust auf Aktivität und macht müde. Die Produktion steigt nachts an und hat ihren Höhepunkt ca. zwei Stunden nach dem Einschlafen. Das Stresshormon Cortisol hingegen kommt in der Früh zum Einsatz, macht uns Startklar für den Tag. Wer sich nach einer durchwachten Nacht schlafen legt, kann deshalb nicht die gleiche Erholung erreichen. Eine gesundheitliche Herausforderung für alle Menschen, die Nachtschichten schieben müssen.
Zumindest macht schlafen nicht dick. Jan Born, Wissenschaftler an der Medizinischen Universität Lübeck (MUL), ist überzeugt: Schlafen beugt Übergewicht und anderen Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck vor und verbessert den Erfolg bei Impfungen. Dazu konnten er und sein Team bereits relevante Forschungsergebnisse vorlegen.