Die größten Weihnachtsirrtümer
Von Andreas Bovelino
Es gibt gewisse Konstanten um Weihnachten, tradiertes Wissen zwischen Brauchtum und Verschwörungstheorie, die haben sich tief im allgemeinen Bewusstsein verankert. Der Weihnachtsmann etwa sei die Erfindung eines Getränkekonzerns, der mit seiner rüpelhaften, typisch amerikanischen Art dem armen Christkind die Show stiehlt. Der Stern, der die Könige aus dem Morgenland geführt hat, war wohl der Halleysche Komet, und die berühmteste Krippe der Welt stand in Bethlehem. Klar. Oder? Eine deutsche Wissenschaftsjournalistin ging „24 populären Irrtümern über Weihnachten“ auf den Grund – und brachte Amüsantes, Erstaunliches und durchaus Interessantes zu Tage.
Weihnachtsmann vs. Christkind
Also, eine der brennendsten Fragen zuerst: goldenes Engelshaar gegen weiße Borsten im Gesicht, Klingelingeling gegen Ho-Ho-Ho, Christkind gegen Weihnachtsmann – wer hat das Sagen, wer hat die älteren Rechte? Die ernüchternde Nachricht für alle Christkindl-Fans: Am Anfang war der hl. Nikolo. Seit dem frühen Mittelalter wurde diese Personalunion zweier kleinasiatischer Kirchenmänner verehrt, und vor allem auch mit dezemberlichen Geschenken in Verbindung gebracht. Die wurden, im Andenken an den mildtätigen Mann, der angeblich am 6. Dezember gestorben ist, an seinem Todestag an Kinder verteilt. Das Christkind kam erst später ins Spiel. Martin Luther, der es bekannterweise mit den Heiligen nicht so hatte, wetterte gegen den vorweihnachtlichen Nikolauskult und propagierte eine Besinnung auf das Wesentliche, die Geburt des Kindes von Maria: das Christkind. Zwei Weltanschauungen prallten von da an aufeinander, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen als wir uns das heute vorstellen würden: Die Protestanten feierten das Christkind, die Katholiken hielten eisern am Nikolaus fest. Erst spät im 19. Jahrhundert hielt das Christkind auch Einzug in die katholischen Haushalte – allerdings ohne den Nikolaus zu verdrängen. Von da an wurde im Dezember eben zwei Mal beschert. Dass dann im 20. Jahrhundert, ausgerechnet aus dem protestantisch geprägten USA, ein gewisser Santa Claus als volkstümliche Version des alten Heiligen seinen Siegeszug antreten sollte, ist eine andere Geschichte. Nur so viel: Nein, Coca Cola hat ihn nicht erfunden. Den rotbackigen, dicken Gesellen mit rotem Strampelanzug und schwarzem Gürtel gab’s vorher auch schon. Der Getränkemittelhersteller sorgte für eine Vereinheitlichung des Looks – und damit wohl auch für seine explodierende Popularität.
Von wegen! In den Zeiten, als noch der hl. Nikolaus den Dezember regierte, war der Advent eine Zeit der Ausgelassenheit, der Spiele und Maskerade. Die viel gepriesene Besinnlichkeit hielt erst vor etwas mehr als 100 Jahren Einzug. Der 6.12. als Gedenktag für den guten alten Nikolaus wurde übrigens vom Vatikan 1968 aus der Liste der Feiertage gestrichen.
Wohl nicht. Die vom römischen Kaiser angeordnete ominöse Volkszählung, die Maria und Josef nach Bethlehem bringt, wird nur vom Evangelisten Lukas erwähnt. Ein Kunstgriff, um den Heiland mit der Stadt Davids in Verbindung zu bringen. Bei den bürokratischen Römern, die jeden Nagel in einer eigenen Liste vermerkten, findet sich nichts davon. Üblicherweise wird Jesus als „Nazarener“ bezeichnet – und die meisten Historiker gehen heute davon aus, dass er in dieser Stadt auch geboren wurde.
Vorweg: Wann der Geburtstag Jesu wirklich war, lässt sich nicht sagen. Die Zeit um die Wintersonnenwende war aber seit alters her Anlass für Feste und Feierlichkeiten, schon die antiken Römer beschenkten einander zu den „Saturnalien“ (17.-23.12.) mit mehr oder weniger aufwendigen Gaben. Dass das Weihnachtsfest am 25.12. stattzufinden habe, beschloss das Konzil von Konstantinopel im Jahr 381. Eingeleitet wurden die Feierlichkeiten durch die Christmette in den frühen Morgenstunden des 25. Dezembers. Gefeiert wird heute weltweit allerdings auch am 6., 24. und 25.12. bzw. am 1., 5. oder 6.1.
Nein. Ganz einfach und eindeutig. Der berühmteste Komet des Universums raste 12 v. Chr. an der Erde vorbei. Jesus wurde, da sind sich die Experten erstaunlich einig, zwischen 7 und 4 v. Chr. geboren. Kometen waren außerdem im Altertum bereits bekannt – und galten als schlechtes Omen. Der deutsche Astronom Johannes Kepler vermutete eine Konjugation von Jupiter und Saturn – und die gab’s im Jahr 7. v. Chr. tatsächlich. Gleich drei Mal. Im Mai, im September und im Dezember. Davon berichten sogar die Aufzeichnungen alter babylonischer Sternforscher. Die zogen aber vorausberechenbar über den Himmel und tauchten nicht einfach auf. Der Astronom Mark Kidger schrieb 1999 über die Geburt eines Sternes, „DO Aquilae“, die für das Jahr 5. v. Chr. bezeugt ist. War das der wahre Stern zu Bethlehem? „Die tiefste Botschaft ist, dass die Geburt Jesu eine kosmische Bedeutung hatte“, sagt Vatikan-Astronom Guy Consolmagno zu der Angelegenheit. „Die Wahrheit werden wir nie mit Sicherheit wissen. Und das ist gut so.“
Ihre Reliquien liegen im monumentalen Kölner Dom, der ihnen zu Ehren überhaupt gebaut wurde. Vor acht Jahren besuchte sogar Papst Benedikt XVI. ihren heiligen Schrein. Darin sind die Knochen dreier Männer, die Zeitgenossen Jesu sein könnten. Aber waren es auch die „Heiligen Drei Könige“? Nur Matthäus berichtet in der Bibel von diesen „heidnischen“ Männern aus dem Osten. Allerdings waren es bei ihm Magier, also Sternkundler, Astronomen – damit könnten aber sogar Gaukler gemeint sein. Wie viele, darüber lässt er sich nicht aus. Namen nennt er nicht. Erst knapp 200 Jahre später wurden aus ihnen Könige, um einer alten Prophezeiung zu entsprechen. Zwischen zwei und zwölf Männer waren es ursprünglich, erst nach und nach einigte man sich auf drei, auch der Geschenke wegen: Gold für den königlichen Jesus, Weihrauch für den göttlichen, Myrrhe für den Menschen. Ob sie aus Babylon oder Persien kamen, darüber wird noch heute heftig diskutiert – die Mützen, mit denen sie in alten Darstellungen gezeigt werden, verweisen eher auf Persien. Die Namen werden seit 1260 vereinheitlicht genannt. Von da an repräsentieren sie die drei Kontinente Europa, Asien und Afrika. Das „C, M und B“, das die Sternsinger auf die Türstöcke pinseln, steht übrigens nicht für ihre Namen, bedeutet also nicht „Caspar, Melchior & Balthasar were here“. Es heißt: „Christus mansionem benedicat“ – Christus segne dieses Haus.
Die restlichen Irrtümer finden Sie in Claudia Weingartners Buch „Alles Mythos – 24 populäre Irrtümer über Weihnachten“ (Theiss Verlag). Höchst amüsant. Oberste Voraussetzung natürlich: Den Event an sich, also die Geburt eines kleinen Buben namens Jesus, der in einer der längsten Nächte des Jahres zur Welt kam und vorerst einmal hauptsächlich seiner Mutter Maria und seinem, hm, Stiefvater Josef Freude bereitete, sollte man nicht in Frage stellen. Aber wer würde das tun, mitten im Advent …