Leben

Das Herz auf einem Chip

Ein Chip könnte das Leben in Zukunft verändern. Forscher der amerikanischen Harvard University sind dabei, die Medizin zu revolutionieren: Der Chip, kaum so groß wie ein Fingernagel, besteht aus lebenden Zellen und imitiert menschliche Organe. Mithilfe dieser winzigen Herzen und Nieren, Lebern und Lungen lassen sich Medikamente testen, Krankheiten studieren und in den Griff bekommen. Fast immer besser als im Tierversuch. Durch den Bausatz Mensch könnten grausame Experimente mit lebenden Tieren endlich unnötig, zumindest reduziert, werden.

Ziel der Wissenschaftler ist es, den menschlichen Organismus in Miniformat nachzubauen, der Natur ihre Tricks abzuschauen, um diese in den Dienst des Menschen zu stellen. Mit den Organen auf dem Chip. Äußerlich sehen sie völlig anders als ihre natürlichen Vorbilder aus, doch in den wesentlichen Funktionen – wie Herzschlag oder Lungenfunktion – werden sie in Zukunft echte Organe möglichst genau imitieren. Bereits 2017 sollen zehn Mini-Organe auf einem Chip den menschlichen Stoffwechsel simulieren.

Künstliche Organe als Ersatzteile für den Menschen sind die große Hoffnung der Medizin. Die Transplantation von Organen ist heute bereits fast Routine. Massive Abstoßreaktionen werden durch Medikamente unterdrückt. Doch das große Problem bleibt: Es gibt – im Wettlauf mit dem Tod – zu wenige Organe, die transplantiert werden können. Tissue Engineering, das Züchten von menschlichen Organen im Labor, könnte die Lösung der Zukunft sein. An der US-Cornell University im Bundesstaat New York wurde vor einigen Wochen das erste künstliche Herz aus Schaumstoff präsentiert. Es weist nicht nur in der Form starke Ähnlichkeit mit dem Original auf, sondern funktioniert auch genauso gut wie ein gesundes Herz – eine erstaunliche Biomaschine, die viele Jahrzehnte 24 Stunden am Tag arbeitet. Die Technologie ist noch in der Anfangsphase, doch bereits in naher Zukunft will man einfachere künstliche Organe herstellen und speziell an Patienten anpassen.

Der international anerkannte österreichische Genetiker Markus Hengstschläger meint, komplexe Organe, im Ganzen durch Tissue Engineering aus Stammzellen im Labor hergestellt, werden wohl noch ein wenig auf sich warten lassen. Aber es wurde bereits Menschen eine Harnblase, die im Labor gezüchtet wurde, transplantiert.
Prof. Hengstschläger sieht viel mehr Potenzial in der Regeneration von defekten Organen durch die Gabe bestimmter aus Stammzellen differenzierter Zellen. Ein solches Ziel könnte etwa sein, die Bauchspeicheldrüse von Diabetikern wieder mit Insulin produzierenden Zellen aus dem Labor funktionstüchtig zu machen.

Menschliche Organe aus dem Labor, ein Chip, auf dem das Herz schlägt, die rasanten Entwicklungen des Gen-Scannings, die zur Entfernung von Organen wie Angelina Jolies Brüsten führen, die sonst später vielleicht lebensbedrohliche Krankheiten auslösen, sorgen für heftige Diskussionen. Ethische Fragen sind aktueller denn je.
Werden in Zukunft gar Kinder genoptimiert zur Welt kommen?
Fest steht: Die Ethik-Diskussion um die Eingriffe in die Erbsubstanz wird immer heftiger.

17 Jahre nach der Geburt des Klonschafs Dolly gelang 2013 einem US-Forscherteam um den umstrittenen Biologen Shoukhrat Mitalipov die Reproduktion einer menschlichen Zelle. Durch die Verwendung dieser Zellen erhoffen sich Mediziner Fortschritte bei der Behandlung von Herzkrankheiten, Parkinson oder Querschnittlähmung. Aber bis zu einem Embryo mit optimiertem Lebensstart ist es möglicherweise auch nicht mehr weit.

Dr. Frankensteins Traum als Realität von morgen? Fausts Vision der Schöpfung eines künstlich geschaffenen Menschen, die Programmierung der menschlichen Natur, scheint näher zu rücken.

Alle Inhalte anzeigen
Der österreichische Genetiker Markus Hengstschläger sieht Potenzial in der Regeneration von defekten Organen durch die Gabe bestimmter aus Stammzellen differenzierter Zellen.

michael.horowitz@kurier.at