Comic-Sammler
Von Martin Kubesch
Dem gängigen Bild eines Adeligen entspricht der 61-jährige Deutsche Heinz Fürst von Sayn-Wittgenstein ebenso wenig wie dem eines Comicsammlers. Für ersteres ist der durch Adoption zu seinem Fürstentitel gelangte Selfmade-Millionär und frühere Reality-TV-Stammgast eindeutig zu bunt geraten. Er lebt zusammen mit seiner Osttiroler Ehefrau Andrea Johanna in einer millionenteuren, vom Designer Luigi Colani sehr schrill gestalteten Villa auf Mallorca mit Traumblick übers Mittelmeer.
Er trat bis vor wenigen Jahren regelmäßig in unzähligen Talk- und Reality-TV-Shows auf und hatte sogar eine eigene Show namens „Der Immobilienfürst“. Und er berichtet – absolut un-snobby – bereitwillig über nahezu alle Aspekte seines Lebens als Jetsetter und Kunstsammler.
Was zur Comicsammler-Leidenschaft des Fürsten führt. Denn anders als die allermeisten Protagonisten dieser eher kleinen und vielfach doch verschrobenen Szene, agiert der gebürtige Münchner auch hier nach dem ehernen Motto: klotzen statt kleckern. Während sich andere Sammler jahrelang auf Comicmessen und -börsen umtun, um seltene Hefte zu ergattern, von den Künstlern Widmungen oder gar kleine, persönliche Zeichnungen zu bekommen, lässt der Fürst sein Scheckbuch sprechen.
In den vergangenen Jahren hat er mithilfe seines Vermögens seine mallorquinische Millionenvilla zu einem Schrein für die Kunst des im Jahre 2000 verstorbenen legendären Disney-Zeichners Carl Barks umgestaltet .
Barks, der Comic-Charaktere wie Dagobert Duck, die Panzerknacker, Daniel Düsentrieb oder die Hexe Gundel Gaukeley erschaffen hat, zog sich bereits 1966 im Alter von 65 in den Ruhestand zurück und begann wenig später damit, Ölgemälde zu malen. Zunächst zum Zeitvertreib, später immer mehr, um seine Pension aufzubessern.
Insgesamt gut 200 Bilder mit Duck-Motiven hat er bis zu seinem Tod mit 99 Jahren geschaffen – und Heinz Fürst von Sayn-Wittgenstein besitzt alleine 59 davon. Außerdem unzählige nach Barks-Motiven gestaltete Skulpturen, zahlreiche Original-Comiczeichnungen des Amerikaners sowie eine komplette deutschsprachige Micky-Maus-Sammlung von 1951 bis 1987 in Bestzustand.
Gesamtwert all dieser Sammler-Pretiosen: viele Millionen Euro. Wobei: Die Sammlung könnte schon bald nach Wien übersiedeln. Denn der Fürst überlegt ernsthaft, ein Carl-Barks-Museum in Form eines Dagobert-Duck-Geldspeichers zu errichten. Und als Standort schweben dem Krösus dabei die Metropolen Berlin, Kopenhagen oder eben Wien vor. Man darf gespannt sein...
Der kunterbunte Adoptiv-Adelige mit dem unübersehbaren Hang zu Gold ist der unumstrittene Star des neuen Bildbandes „Die Kunst des Comic-Sammelns“ aus der rührigen, in Baden bei Wien beheimateten Edition Lammerhuber. Der deutsche Journalist Alex Jakubowski hat darin insgesamt 15 sehr unterschiedliche Sammler von grafischer Literatur porträtiert. Und wirft damit erstmals einen genauen Blick auf eine Sammlerwelt, die sich in den vergangenen 40 Jahren vor allem im Schatten des großen Kunstbetriebes etabliert hat.
Denn Comics, die inzwischen gemeinhin neben Architektur, Bildhauerei, Malerei, Tanz, Musik, Poesie, Kino und Fernsehen als die Neunte Kunst gelten, haben seit ihrer Erfindung gegen Ende des 19. Jahrhunderts (im Grunde erzählen auch jahrtausendealte Hieroglyphen oder Bildteppiche Geschichten in Form von Bildern und sind damit streng genommen Comics) eine sehr wechselvolle Geschichte hinter sich.
Zunächst nur als Amüsement in Tageszeitungen abgedruckt, nach dem Zweiten Weltkrieg als Schund verdammt, in den späten Sechzigern ein Werkzeug der Studentenrevolte (Underground-Comics), heute Lieferant für Hollywood-Blockbuster im Dutzend, als Graphic Novels längst vom breiten Kulturbetrieb ernst genommen – und eben für immer mehr Menschen auch das Sammelobjekt ihrer Begierde.
Interessantes Detail: Die allermeisten der im Buch vorgestellten Comic-Sammler haben ihre ersten Erfahrungen mit den Bildergeschichten bereits im frühen Kindesalter gemacht. Der Gedanke, dass die spätere Beschäftigung mit den Heften also auch vom Wunsch, sich in alte, glückliche Kindertage zurückzuversetzen, getragen wird, ist wohl alles andere als weit hergeholt.
Für Comic-Liebhaber war er zunächst nur „der gute Zeichner“. Denn obwohl die Bildergeschichten aus den Disney-Studios keine Autorenangaben enthalten durften, unterschieden sich die Storys von Carl Barks aufgrund ihrer zeichnerischen und inhaltlichen Qualität so sehr von denen seiner Kollegen, dass mit den Jahren immer mehr Comicfreunde nachfragten und schließlich auf den großen, hageren Mann stießen.
Barks, Jahrgang 1901, arbeitete bis 1966 an Comics für Disney, danach setzte er sich zur Ruhe und widmete sich fortan dem Malen von Ölbildern, einige Jahre mit der Erlaubnis von Disney auch mit Duck-Motiven darauf. Doch während der scheue Philanthrop längst den Ruhestand genoss, begann der Wirbel um ihn erst so richtig. Gesamtausgaben, Bücher, Dokumentationen – Barks wurde zum „Vater der Enten“ und löste einen wahren Boom aus, der auch in weniger Comic-affinen Kreisen die Einstellung manifestierte, dass Comics weder Schund noch Kinderliteratur sind, sondern ein komplexes, kreatives Kulturgut.
Dazu leistete auch Dr. Erika Fuchs ihren Beitrag. Die studierte Kunstgeschichtlerin wurde 1951 erste Chefredakteurin der deutschen Micky Maus und besorgte auch alle Übersetzungen selbst. Und das tat sie gerade bei den Barks-Geschichten mit so viel Geschick und sprachlicher Verve, dass ihre Versionen bis heute als sprachliche Meilensteine der Comic-Literatur gelten.