Kaya Yanar über Sprache
Von Barbara Reiter
freizeit: Herr Yanar, wie gefällt Ihnen Wien?
Kaya Yanar: Sehr gut, vor allem hier im Hotel mit dieser fantastischen Aussicht. Nur das Wetter mag ich nicht so. Da kommen meine osmanischen Gene durch. Mir fehlt einfach die Sonne.
Dafür bringen Sie als Comedian Sonne in die Herzen der Menschen. Ist doch so, oder?
Ja, ich habe das sogar am eigenen Leib erprobt. Es gab eine Zeit, in der es mir nicht so gut ging. Da hat mir Humor unglaublich viel geholfen.
Sprechen Sie von der Zeit, als Ihre Eltern sich scheiden ließen?
Ja, ich war zwölf und in einem schwierigen Alter. Ich kam gerade in die Pubertät. Das war auch die Zeit, in der ich Comedy für mich entdeckt und gemerkt habe, wie kraft- und machtvoll sie ist. Flache Witze funktionieren am besten, wenn man gut drauf ist. Aber wenn Menschen in der Krise stecken, kriegst du sie nur mit guter Comedy. Deshalb hat mich die Zeit so geprägt.
Erinnern Sie sich an bestimmte Personen, die Sie damals aus dem Stimmungstief geholt haben?
Das Erste war eigentlich, dass mich Freunde zum Lachen gebracht haben. Sie hatten zum Glück sehr viel Humor. Das war, soweit ich mich erinnere, das Wichtigste. Und dann habe ich auch die ersten Comedians wie Eddie Murphy oder Richard Pryor entdeckt. Die haben mich zusätzlich angespornt.
Beeindruckend ist, dass Ihre Mutter sich scheiden ließ, obwohl sie Muslima ist.
Der Druck der Familie war wirklich sehr groß. Meine Mutter hat damals mit ihren Eltern gesprochen und ihnen mitgeteilt, dass sie sich scheiden lässt. Die sprachen dann nur von Familienehre und so ’nem Quatsch. Ein Jahr später hat sie es wieder versucht und gemeint: „Ich kann mit ihm nicht.“ Das ging dann einige Zeit so hin und her, bis es ihr gereicht hat.
Bei wem haben Sie danach gelebt?
Das erste Jahr bin ich beim Vater geblieben. Ich hatte das Gefühl, dass ich auf meinen Vater aufpassen muss, weil mein Bruder bei der Mutter war. Aber dann habe ich gemerkt, dass das nicht geht. Er war ein charismatischer und lustiger Mensch, aber auch sehr schwierig. Er hat die Einwanderungsgeschichte und den Integrationsprozess nicht so gut verkraftet wie meine Mutter.
Wie ging es dann weiter?
Nach einem Jahr bin ich zu meiner Mutter und dem Bruder gezogen. Dann hatte ich zwei von vier, statt nur einen. Und ich bin vom Land in die Stadt gezogen. Da war auch der Hund begraben. Mit dem Vater habe ich in einem Vorort von Frankfurt gelebt, mit der Mutter später in der Stadt. Wenn man heranwächst, braucht man Einflüsse – die Kultur und Freunde aus der Stadt waren wichtig für mich.
Haben Sie heute noch Kontakt zu beiden?
Mein Vater ist 2002 gestorben. Mit meiner Mutter und meinem Bruder bin ich heute noch sehr eng.
Wie beurteilen Sie die Entscheidung Ihrer Mutter, sich scheiden zu lassen, heute?
Ich finde es großartig, dass sie das gemacht hat. Es war sehr mutig, vor allem zur damaligen Zeit, und hat viel Kraft gekostet. Aber es war die richtige Entscheidung. Sie hat danach ihren Hauptschulabschluss gemacht und sich zur Kosmetikerin ausbilden lassen. Da hat sie quasi ihre eigene kleine Karriere gestartet.
Und welche Einstellung haben Sie als Sohn einer Muslima zur derzeitigen Islam-Debatte?
In unserer Familie war es so, dass mein Vater kein besonders religiöser Mensch war. Das ist bemerkenswert, weil die Türken als Migranten in Deutschland ihre Religion ja mitgebracht haben. Aber mein Vater hatte nicht wirklich einen Bezug dazu. Er war nur bei der Bildung sehr streng. Ich bin auch kein religiöser Mensch. Gläubig schon, aber mehr im Sinne von spirituell.
Was halten Sie von Islam-Witzen? Ihr Kollege Dieter Nuhr hat sich wiederholt kritisch mit der Religion auseinandergesetzt und wurde im Herbst von einem Muslim wegen Islam-Hetze angezeigt. Er hatte in einem YouTube-Video gesagt: „Hand ab bei Diebstahl. Das hat ja was für sich. Da klaut einer zweimal, aber beim dritten Mal wird's schwierig.“
Ich finde es gut, dass Diskussionen passieren, weil es Prozesse sind, wo man sich findet. Was darf Satire, was nicht? Wie viel Toleranz muss man Religionen abverlangen? Damit muss man sich auseinandersetzen, weil es vier Millionen Muslime in Deutschland gibt. Ich glaube, die meisten davon wollen nur friedlich hier leben. Und dann gibt es halt ein paar, die alles sehr ernst nehmen. So einer hat halt auch den Dieter angezeigt. Aber das Gericht hat sich das angesehen und die Klage fallen gelassen. Der Muslim, der ihn angezeigt hat, muss damit leben.
Gefährliches Terrain, weil man ja nie weiß, wie radikale Muslime reagieren.
Gewisse Kulturkreise verstehen keinen Spaß. Mir ist das Gebiet ehrlich gesagt zu heikel, weil ich auch noch mal ganz anders betrachtet werde als Dieter Nuhr. Er ist der Deutsche, der aus der Warte eines Vielleicht-Christen Gags über den Islam gemacht hat – übrigens auch über die katholische Kirche. Wenn ich jetzt damit anfange, mich über den Islam lustig zu machen, heißt es ja gleich: „Du Verräter!“ Ich persönlich habe keine Religion zu verteidigen, weil ich wenig Bezug dazu habe.
Sie haben vorhin erwähnt, dass für Ihren Vater Bildung wichtig war. Sie haben Anglistik studiert und sich mit vielen Sprachen beschäftigt: Türkisch, Deutsch, Latein, Altgriechisch, Französisch und Englisch. Bringt dieses Wissen etwas für die Ethno-Comedy, die Sie machen?
Absolut. Ich habe ein ambivalentes Verhältnis zu Sprache. Auf der einen Seite ist es großartig zu sehen, wie Kulturen über viele Epochen miteinander kommuniziert haben – obwohl es bestimmte Wörter in einigen Sprachen gar nicht gibt. Andererseits trennt uns die Sprache. Das habe ich besonders in der Kindheit gemerkt, als mein Vater am Integrationsprozess gescheitert ist, weil er die deutsche Sprache nicht richtig gelernt hat. Damals fand ich es sehr schade, dass wir nicht alle ein und dieselbe Sprache sprechen. Aber für Comedy ist genau diese Spannung großartig.
Wie nutzen Sie das für sich?
Ich kann mich über Sprache lustig machen. Eines meiner Lieblingsthemen war jahrelang die Komplexität und Kompliziertheit der deutschen Sprache. Es gibt unglaublich viele vollkommen schwachsinnige Grammatikregeln. Und trotzdem sind das Sprachcodes, die man beherrschen muss, um dazuzugehören. Erst dann heißt es: „Okay, der versteht uns und wir verstehen ihn“ und man wird integriert.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Ja. Es gibt Akzente, die nur in bestimmten Gegenden gesprochen werden. Wenn nun jemand so einen Akzent hat, wird er es nur in den seltensten Fällen als Anwalt oder Arzt schaffen. Das finde ich sehr schade, weil Sprache eigentlich verbinden sollte. Aber so ist der Mensch nun mal. Er erfindet irgendwelche Regeln, um andere auszuschließen. Das sind Themen, über die ich viel Comedy mache.
Sie haben einmal in der Talkshow von Markus Lanz erzählt, dass Sie nie mit einer Holländerin liiert sein könnten, weil ihnen die Sprachmelodie nicht gefällt. Ihre Freundin ist Schweizerin. Das klingt ja auch nicht unbedingt für jeden schön.
Meine Freundin kommt aus Zürich. Das ist noch das verständlichste Schweizerdeutsch. Ich kriege das nur mit, wenn sie mit Freunden und Familie spricht, mit mir spricht sie tatsächlich Hochdeutsch. Ich verlange es nicht, sie macht es automatisch. Und es ist nicht so, dass mich Schweizerdeutsch abtörnt. Ich habe ja einmal Phonetik studiert. Und die Stimmlage einer Frau ist tatsächlich sehr wichtig für mich. Fast genauso wichtig wie der Inhalt des Gesprochenen. Piepsige Stimmen mag ich nicht. Meine Freundin hat zum Glück eine tiefere Stimmlage.
Sie sind 41 Jahre alt. Hätten Sie nicht langsam gerne Familie?
Sehr gerne sogar. Aber meine Freundin hat noch ein paar andere Pläne. Das ist bei jungen Frauen heutzutage ja normal. Da muss man halt ein bisschen danebenstehen und gucken. Danach hoffe ich, dass es Familie gibt.
Apropos gucken: Wer Kaya Yanar sagt, muss auch „Was guckst du?!“ sagen. Mit der Comedy-Sendung hatten Sie 2001 auf Sat.1 Ihren großen Durchbruch. Wie ist Ihnen denn damals der Titel eingefallen?
Das war tatsächlich an einem Pissoir in Frankfurt vor 20 Jahren. Ich stand vor dem Urinal und habe kurz nach rechts geschaut, weil ich einfach wissen wollte, wer neben mir pinkelt. In dem Moment sagt ein Türke: „Was guckst du?“ Da musste ich wahnsinnig lachen und er auch. Da war alles drinnen: Von Comedy bis Homophobie. Ich fand den Spruch so cool, dass ich ihn im Gedächtnis behalten habe. Als wir sechs, sieben Jahre später einen Sendungstitel gesucht haben, habe ich die Geschichte erzählt und alle waren sich sofort einig: ‚Das ist es!‘
Sie haben damit wie Hape Kerkeling mit „Ich bin dann mal weg“ ein geflügeltes Wort geschaffen. „Was guckst du“ hat fast jeder schon mal gesagt. Wie fühlt sich das an?
Das fällt mir nur zufällig auf. Unlängst wollte ich wissen, wie man die WLAN-Geschwindigkeit erhöhen kann und bin im Internet gesurft. In einem Diskussionsforum haben sich dann Leute unterhalten, einer hat was erklärt und geschrieben: ‚Klickst du.‘ Da denke ich schon kurz: „Ah Moment, das bin ja ich.“ In der Sekunde finde ich das großartig, aber das ist es auch schon.
Sie hatten auch mal ein Programm das „Suchst Du?!“ hieß. Offenbar eine Vorstufe von „Was guckst du?!“, oder?
Ich habe in Frankfurt, wo ich aufgewachsen bin, viel von diesen Sprachidiomen mitbekommen. Ich war 15, als mir zum ersten Mal ein Typ Drogen verkaufen wollte. Das ging über Laute wie: „Xs, xs, ps, ps.“ Dann habe ich gelacht und er: „Was lachst du?“ Und ich: „So kann man maximal Tauben anlocken, aber keine Drogen verkaufen.“ Und er: „Wos? Is normal. Kann nich sagen Haschisch.“ Ich habe das immer als komisch wahrgenommen.
Sie waren der Erste, der Ethno-Comedy in den deutschen Sprachraum gebracht hat. Heute haben Sie viele Mitstreiter – von Erkan & Stefan bis Bülent Ceylan. Denkt man sich da: Hey, das ist meins?
Im Gegenteil. Es hat mich eher gewundert, warum es so lange gedauert hat, bis andere das gemacht haben. Ethno-Comedy gab es ja schon vor mir. Und wir haben uns viele Gags schon als Kids erzählt. In meiner Klasse war ich der Türke, es gab aber auch einen Griechen und einen Inder. Da haben wir uns gegenseitig aufgezogen. Als ich 2001 meinen Durchbruch hatte, habe ich nur darauf gewartet, dass der nächste Russe, Italiener oder Kroate kommt, der Ähnliches macht wie ich. Ich warte immer noch darauf.
Wo sind diese Comedians?
Stark sind nur die Türken. Wir sind auch mit dreieinhalb Millionen in Deutschland eine der größten Bevölkerungsgruppen. Um Ihre Frage vorhin zu beantworten: Es geht nicht darum, dass ich der alleinige Ethno-Comedy-King bin. 12, 13 Prozent der Menschen in Deutschland haben ausländische Wurzeln. Da ist Comedy wie die Ölung der Zahnräder des Zusammenlebens. Es gibt kanadische, indische und schottische Komiker, die um die Welt touren und mit Klischees und Vorurteilen spielen. Das ist gesund für die Gesellschaft, weil jeder von uns Vorurteile hat. Mit diesen Bildern im Kopf muss gespielt werden.
Sie haben früher aufgrund der Herkunft Ihrer Eltern Weihnachten nicht gefeiert. Wie stehen Sie heute dazu?
Ich liebe Weihnachten. Viele deutsche Städte sehen im Advent auch viel besser aus als sonst, weil sie mit Kugeln, Lichtern und Lametta aufgeputzt sind. Am wichtigsten ist die Atmosphäre, der religiöse Aspekt ist für mich auch hier nicht entscheidend. Und die Menschen sind zur Weihnachtszeit einfach gut drauf. Das gefällt mir auch.
Finden Sie? Es gibt doch einige, die jedes Jahr an einer Weihnachtsdepression laborieren.
Wirklich? Dann einfach einen Glühwein runterkippen und es wird schon.
Zum Schluss noch eine Frage, die jeder Comedian hasst ...
Können Sie mir bitte einen Witz erzählen?
Fast. Bitte bringen Sie mich zum Schluss noch zum Lachen.
Zwei Tafeln Schokolade fliegen um eine Tischlampe. Welches ist die männliche?
Jetzt wäre interessant zu wissen, warum Schokoladen um eine Lampe fliegen. Aber unsere Gesprächszeit ist leider um. Abgesehen davon: Keine Ahnung.
Die mit den Nüssen.
Kaya Yanar, 41, deutscher Comedian mit türkischen Wurzeln, wurde 1973 in Frankfurt am Main geboren. Nach dem Gymnasium studierte er Phonetik, Amerikanistik und Philosophie, sattelte dann aber auf Comedy um. Sein Durchbruch gelang Yanar 2001 mit der Sat.1-Show „Was guckst du?!“, die ihn im deutschsprachigen Raum bekannt gemacht hat. Sein Hauptaugenmerk liegt auf dem Spielen mit Klischees und Vorurteilen über ethnische Gruppen, womit er bis heute erfolgreich ist.
Im März 2015 kommt Yanar mit einem „Best of“ seines Schaffens auch nach Österreich: 6. 3. Messe Arena, Klagenfurt, 7. und 8. 3. Wiener Stadthalle F, 12. 4. Helmut-List-Halle, Graz – jeweils um 20 Uhr.
Karten unter: www.kaya-yanar.de