Leben

Chmela & Chmelar

Wunderschön ist es da, wo er wohnt – ruhig, beschaulich und beinah’ mit einem Stich ins Kitschige. Ein Horst, in dem der Chmela seit einem halben Jahrhundert nistet, brütet und mit seinem Flügel swingt. Warum er, der Horst Chmela, das Wiener Wahrzeichen, das dieser Tage (am 31. Oktober) 75 Jahre alt wird, bei all seinen Haupttreffern, also Hits, nicht etwa in Schönbrunn domiziliert, ist leicht mit einem Kalenderspruch beantwortet, der den diskreten Charme der Peripherie in sich birgt: „I bin ka Millionär, wäu i hob immer g’lebt wie aner.“ Ja, er hat die ganze Welt gesehen und fast die ganze Welt ihn. Aber daheim war er nur in Ottakring (von null bis 25) und in Floridsdorf (seither). Der Besuch in seinem Reihenhaus im Vorfeld der Großfeldsiedlung bringt – endlich! – Chmela & Chmelar (sprich Kmela & Schmäler) an einen Gartentisch: zum Schnapsen, zum Schmähführen und zum Schnurren austauschen.

Schließlich wurde er ein paar Jahre lang auf Ämtern oder Banken bei Namensnennung mit der Nachfrage behelligt: „Chmela? So wie der Plauderwastl im Fernsehen?“ Und mich sekkierte man dort (weitaus länger!) mit: „Chmelar? So wie der Heurigensänger?“ Beides übrigens mit Vorliebe im jeweiligen Heimatgrätzel, dem 16. Hieb. „Die schönste Nachricht meiner Jugend“, flunkere ich oft bei meinen Auftritterln – im Verhältnis 1:1000 gegenüber Chmela –, „war, wie mein Vater g’sagt hat: Wissts wos?! Über uns is a Kellerwohnung frei worn!“ Beim Horstl ist das freilich (fast) bittere Realität. Denn: Der weißblonde Wechselbalg (späte Mutter) aus der Rückertgass’n 4, erster Stock, Tür 15, das sechste von sechs Kindern, wuchs auf 28 Quadratmetern Zimmer-Kuchl mit „indischem Klo“ (= jenseits des Ganges) auf. Der früh verstorbene Vater, ein „Oberlederzuschneider“, hatte der Schar jeweils zwei Paar Schuhe angemessen: „A Paar für schee und a Paar für’n Winter.“ Dazwischen lief Horst mit Klapperln (= selberg’strickte Sandalen) in den Nachkriegsruinen umher, suchte nach Eisen und Kupfer, das er „schwarz“ verhökerte. Die Mutter hatte ihm Liebe geschenkt. Und Musik. Und – vor allem – die Liebe zur Musik. Im Hof, bei den Mistkübeln, wurden zur Quetsch’n (= Akkordeon) eines Onkels Wienerlieder „aufi-obi gspüt“.

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Leises Schluchzen, weiche Laute, direkte Verbindung von Kehle zu Seele & retour. Ins Bluat, ins G’müat, ins Volle. Die „Vier im Jeep“ (Besatzungssoldaten der Siegermächte) erwischte der G’stermel mit glockenhellem Gesang. Für jedes „Sentimental Journey“ ließ ein Ami „Chewing Gum“ springen, „harte Währung“ im Wien der frühen Fifties. Im Jugendclub gründete Chmela seine erste Band „Blue Gamblers“ und eroberte mit 21 die 16-jährige „Blume vom Schwarzen Panther“, wie die Hütt’n hieß: Ingeborg, seit 53 Jahren an seiner Seite. Sie tingelten drauflos, von der Tenne übers Chattanooga bis nach Seefeld. Er sang, sie war an der Bar oder Garderoberin. Sie sparten viel, aber er spielte mit Haberern und solchen, die das Adelsprädikat verwirkten. Wenn er sagte „Heut’ gemma ins Kino“, hieß das gern, dass sie dafür zahlen musste. 1970 entstand mit „Aner hot immer des Bummerl“ seine persönliche Nationalhymne (eine von 600 Kompositionen). 206-mal wurde das Lied des Losers bis dato gecovert. Von den Kasermandeln bis Stephan Remmler (siehe rechte Seite). Als es ein Tophit wurde und blieb, sagte er seiner Frau: „Jetzt krieagst a neuche Strumpfhos’n ...“ (auch ein Wirtschaftswunder-Luxus). Weil der Chmela in viereinhalb Jahrzehnten „nie wem ins ORF-Loch kroch“, kam er trotz mindestens drei weiterer Hämmer – vom „Gockala“ über „Mama, schau oba“ bis zum „Deppatn Buam“ – insgesamt grade acht Mal vor im Fernsehen. Er lebt nicht vom Rundfunk, nur vom Mundfunk. Und er hat was geschaffen, das ihn ernährt. „Do You come from Kansas?“, fragte ihn einst ein Ami am Arlberg. „No, Sir“, sagte Chmela, „I’m coming from Ottakring.“ Zwei Lokale sind ihm den Bach runtergegangen, Lust & Laune haben’s hingegen überlebt. Was soll einmal auf deinem Grabstein stehen, Horst? Was mit „Bummerl“, mit „Gockala“ oder gar mit „depperter Bua“? Spontan entwirft der Chmela dem Chmelar sein einprägsames Epitaph: „A harber Weana Någl wår er do.“ Das übersetzt dir kein Remmler!