Glamrock-Tragödien
Von Polly Adler
"Zieh dich warm an!", sagte K, als sie mich nach langer Funkstille zum Essen einlud. Ich hätte ihren Rat beherzigen sollen, denn es war mehr als frisch in ihrer Wohnung. "Ich muss sparen", sagte sie nur, als sie mir eine Wolldecke reichte. Es gab ehrliche Dillfisolen mit Kartoffeln. Sie waren köstlich. Der mitgebrachte Rotwein wärmte uns. "Mein Leben ist ein bisschen von der Spur", sagte sie, "die Agentur hat mich gefeuert, meine Reserven sind in die Glamrock-Band meines letzten Liebhabers geflossen." – "Die Zeiten für Glamrock werden wieder besser werden." – "Glamrock kann mich mal. Er hat mich wegen seiner Drummerin sitzen lassen." Ich begann zu kichern. Sie sah mich sehr irritiert an. Ich konnte trotzdem nicht aufhören, es war einfach stärker. Irgendwann hatte ich sie angesteckt und wir lachten Stereo, bis uns die Tränen kamen. Ich erzählte ihr die Geschichte von Benjamin Guggenheim auf der "Titanic". Als das Schiff auf den Eisberg gelaufen war, soll er nach einem Blick in seinen Whiskey angemerkt haben: "Ich hatte zwar nach mehr Eis für meinen Drink verlangt, das ist aber dann doch ein wenig übertrieben." Gegen Tragödien gibt es nur eine brauchbare Waffe: Humor. Ich musste an meine Tante F denken, deren vergötterter Mann nach einem Schlaganfall als Gemüse dahinvegetierte. Zeitlebens hatte er ihr viel Kummer bereitet, weil er die Frauen so sehr liebte, dass er sich nicht nur auf eine einzige beschränken wollte. "Jetzt kann er mir wenigstens nicht mehr fremdgehen", sagte sie lachweinend, "das gönn’ ich ihm, diesem Falott: Monogamie auf Lebenszeit." Und dann hatte sie ihn mit einer Zärtlichkeit auf die Stirn geküsst, die mich damals verstehen ließ: Ironie war das einzige Schmerzmittel, das ihr half, seinen Zustand auch nur irgendwie zu ertragen.