We-people-mania
Von Polly Adler
Wir nannten sie „Tiger-Lilly“: Sie lebte männertechnisch „á la carte“, wie sie das nannte, dirigierte eine Architekturbüro mit 15 Divos, war allein in einem Jeep durch Ghana gedüst und konnte mit einer Motorsäge umgehen wie unsereins mit einer Nagelfeile. In wilden Pioniertagen hätte man unserer „Tiger-Lilly“ das Etikett Flintenweib um den Hals gehängt. Und dann kam der Tag, an dem sich alles änderte. Und „Tiger-Lilly” ins Lager der We-People wechselte. Und zu einem Symbiose-Softie wurde. Der Mann, der diese Metamorphose zu verantworten hatte, hätte jederzeit eine Karriere als Serienkiller antreten können. Sein Gesicht vergaß man nach einmal Wegschauen. Ein Fahndungsfoto-Supergau. Er war auch seelisch recht grau. Sein Konversationsniveau brachte mich zum Weinen. Es waren Tränen der Langeweile. Doch die Ex-Tigerin vergötterte ihn. Sie setzte sich beim Essen auf seinen Schoß und fütterte ihn mit zuvor sorgfältig entpuhlten Garnelenschwänzen. Sie knabberte in bebautem Gebiet an seinen Ohrläppchen. Sie war kein eigenständiges Individuum mehr, sondern eine große, wabbrige Zweisamkeitsmasse. Sie sagte We-people-Sätze wie „Wir lieben es, am Sonntag das Haus nicht zu verlassen“ und „Wir zaubern uns in der Früh Smoothies” am laufenden Band. Der verhinderte Serienkiller nickte dazu wie ein Heckscheiben-Wackeldackel. Wir verstauchten uns die Gaumenzäpfchen bei der Lüge „Wir freuen uns ja so sehr für dich.“ „Verstehst du das?” fragte mich A, als wir das mit Nesttrieb-Accessoires wie Trockenblumenschalen und Duftkerzen reich bestückte Idylle-Szenario verlassen hatten, „ich meine mit der Frau konnte man früher Kriege gewinnen.” – „Dafür gibt es nur eine Erklärung....” – „Und zwar?” – „Südburgenländische Pendlerweisheit: Hormone sind Fetzenschädel.“