Leben

„Der grässliche Spuk soll von mir”

Es ist, als ob man sich in ein fremdes Schlafzimmer geschlichen und dort, geschützt durch ein Tarnmützchen, Platz genommen hätte: Der Briefwechsel zwischen Alma Mahler und dem um sieben Jahre jüngeren Oskar Kokoschka. Sie bellt aus der Kuranstalt: „Du lässt mich allein! Es ist der dritte Tag, an dem ich keinen Brief habe. Wo soll ich hin, wenn der Fels unter meinen Füßen zu Feuer wird?“ Er paradiert nachts bis zum Morgengrauen vor ihrem Fenster auf und ab, weil er in Panik ist, dass da noch „ein anderer Kerl“ kommt. Seine Freunde machen sich Sorgen, seine Mutter will die „böse Circe“ erschießen. Er schreibt stolz: „Mir könnte die geliebte Frau A. mit geblähten Backen in die offene Goschen scheißen, umso mehr liebt ich sie.“ Vierzehn Jahre nach der räumlichen Trennung sitzen sie noch immer ineinander fest. Sie schreibt 1928 in ihr Tagebuch: „Es ist furchtbar; ich habe wieder die ganze Nacht wild und begeistert von O.K. geträumt. Er behext mich wiederum. DIE Kräfte kenn ich. Der gräßliche Spuk soll von mir.“ Er schreibt dem 72-jährigen „Almschi“ 1951: „Wenn ich einmal Zeit finde, dann mache ich eine lebensgroße Figur aus Holz von mir und du sollst mich jede Nacht in Dein Bett nehmen. Die Figur soll auch ein Glied haben, wie Du es mir gemacht hast, damit Du dich besser an mich erinnerst, und durch Übung wieder Lust zum Wirklichwerden gewinnst. Einmal kommen wir wieder zusammen.“ Wahrscheinlich haben sie sich so geliebt, weil sie sich so wenig gesehen haben. Briefsex wird eben nicht durch die Realität versaut. Wie deprimierend, dieses GeSMSe von heute angesichts solcher Verbalexplosionen. Abgesehen davon – vielleicht ist es wirklich so: Die größten Lieben sind die zu früh abgebrochenen oder ungelebten. Behaupten zumindest die Herren Tschechow, Schnitzler und Capote.

TIPP: Die Burgschauspieler Maria Happel und Johannes Krisch lesen Alma und Oskar, in Polly Adlers „Schwimmenden Salon” in Bad Vöslau, 27.6. – 19 Uhr, Karten um 15 Euro unter schwimmender.salon@voeslauer.at