Tränenblind unter Löwen
Von Polly Adler
Neulich weit nach Mitternacht heimgekommen und noch gezappt. Fatalerweise lief auf irgendeinem Popelkanal „Out of Africa“, noch dazu war der Film gerade bei einer der schönsten Liebesszenen der Hollywoodgeschichte angelangt: Robert Redford und Meryl Streep sind auf Safari und er wäscht ihr die Haare. Ich war natürlich in der Sekunde überschwemmt, wie immer bei „Out of Africa“; in der Regel schon bei Streeps erstem Satz („Ich hatte eine Farm in Afrika ...“) Als ich am Ende tränenblind das Löwenpärchen auf Redfords Grab liegen sah, fragte ich mich: Warum triggerte just diese Geschichte bei mir einen solchen emotionalen Tsunami? Es gab viele Antworten: Frau, schreibende, mutige Frau, die sich am Ende ihrer Welt gegen einen Machoclub durchsetzt, und dann war da natürlich die mit der Blixen geteilte Faszination für den Mann mit Näheparanoia. An jene Jungs, die sich in meinem Leben nur auf Stippvisite befanden, werde ich mich noch im letzten Bett erinnern. Selbst wenn sie einen Satz wie Redford als Denys abließen, der da lautet„Du hast das Alleinsein für mich ruiniert“, wusste man am nächsten Tag, dass das eine Fünf-Sekunden-Wahrheit war, an der man sich nicht festbeißen durfte. Mein Psychotherapeut hatte komplizierte Erklärungsmodelle für meine Ich-bin-dann-mal-weg-Typ-Hingezogenheit entwickelt. Doch in Wahrheit gibt es eine ganz einfache, die wir bei Torberg nachlesen können. Als der Tante Jolesch auf dem Sterbelager das Geheimnis ihrer legendären Krautfleckerln entrissen werden sollte, seufzte sie nur milde: „Immer zu wenig, immer zu wenig ...“ So gesehen sind manche Männer wie die Jolesch-Krautfleckerln. Erst wenn sie sich knapp dosieren, lernt man sie so richtig schätzen.
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