Leben

Tauschgeschäfte

Der junge Mann erhob sich plötzlich von der Bank in der U-Bahn, die Richtung Times Square ratterte. „Hello“, sagte er, „mein Name ist Andy. Es tut mir sehr leid, dass ich Sie belästigen muss. Sie hatten sicher alle einen schweren Tag, aber glauben Sie mir bitte, ich hatte in letzter Zeit einfach zu viele schwere Tage am Stück ...“ Die meisten im Waggon gaben jetzt vor, an ihren Smart-Nabelschnüren dringend herumwischen zu müssen. „Ich habe in den letzten zwei Wochen jede Nacht an einem anderen Ort verbracht und es war jedes Mal kein Sterne-Etablissement, sondern ein Zug, ein Obdachlosen-Shelter oder ein Hauseingang ...“ Andy hatte nichts von einem Sandler, er sah eigentlich erschreckend adrett aus. Der Fortpflanz und ich zückten ein paar grüne Scheine, denn verarmen mussten wir in New York ohnehin schon, also konnten wir es auch mit Anstand tun. Neben mir saß eine schon recht verdörrte Lady, die den Kampf gegen die Vergänglichkeit mit lautem Make-up und sehr falschen Wimpern sehr vergeblich zu schlagen versuchte. Sie klopfte mit ihren korallenrot lackierten Rheumafingern auf den leeren Platz neben sich: „Setzen Sie sich, Andy, right?“ Der junge Mann gehorchte. Sie sagte, sich die Lippen dabei leckend: „Ich lebe allein, seit der alte Löwenzahn, Gott hab’ ihn selig ... Und ich bin einsam. Ich habe, was du brauchst, und du hast ...“ Andy war von dem Angebot, das er eigentlich nicht abschlagen konnte, nun doch etwas irritiert. „Aber, M’m, nun ja ...“ – „Nein, nein“, kicherte sie jetzt, „ich brauche keinen Gigolo, ich brauche nur Nähe. Nähe ist der Sex der Greisinnen ...“ – „Und wie sieht Nähe aus?“ – „Darüber sollten wir bei einer Matzo Ball Suppe reden ...“ Manchmal konnte sie dann doch noch ein bisschen zwinkern, diese Stadt, die ansonsten so brutal geworden war.

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