Leben

Rock'n'Raunz

Wir bretterten über die West. Aus dem Radio jeierte eine Männerstimme: „Alles ok, alles ok, nur ...“ Meine Freundin M drückte aufs Gas: „Was ist denn bitte mit diesen Typen los? Rauf und runter diese Jammer-Balladen! Rock’n’Raunz! Da kriegt man bestenfalls mütterliche Gefühle!“ – „ Das ist der neue Wolljacken-Mann ...“ – „Was ist denn das bitte?“ – „Er trägt gerne solche Stricktrümmer. Melancholie gehört zu seiner Grundausstattung. Prinzipiell findet er, dass das Leben ein Bollwerk an Ungerechtigkeiten ist. Das macht ihm Angst und zwar vor allem: Dem Alugehalt in den Deos, dem Turbokapitalismus, Entscheidungen, dem dreckigen Lachen von Frauen.“ – „Ach, du grüne Neune! Das sind also die Jungs, die die Väter unserer Enkelkinder sein werden!“ Auch sie war eine Mädchen-Mutter. „Möglich, aber doch besser als Testosteron-Tonis, die Tränen nur aus dem Dschungelcamp kennen und jedem Minirock hinterher schauen, als ob sie die letzten Monate allein auf einer Bohrinsel zubringen hätten müssen.“ – „Und wie ist die Angebotslage zwischen den Alu-Deo-Phobikern und diesen Erdöl-Heinis?“ – Ich seufzte: „Nun ja. In meiner Altersgruppe mau. Es schleppt schon jeder so viele Meisen und Marotten im Handgepäck, dass jede Begegnung einer Rätselrallye durch ein Kriegsgebiet der jeweiligen Neurosen gleich kommt.“ Es läutete rein. F wollte die Katastrophen eines Parship-Dates bemurmeln, dem ihre Bettwäsche Juckreiz wegen des falschen Waschmittels verursacht hatte, aber sich trotzdem sehnlich wünschte, dass sie schon nächste Woche seine liebe Mutti kennenlernen sollte. F ist 36. Wie beruhigend, dass Missverständnisse keine Altersfrage sind. „Ich verstehe dich nicht. Du verstehst mich nicht. Die alte Liebesconjugation“, hätte Herr Schnitzler jetzt, wie so oft, geseufzt.

Lesung im Rabenhof: „Schneewittchenfieber“ mit Maria Happel & Polly, 12. 10. um 11 Uhr.

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