Möglicher Paradieskoller
Von Polly Adler
Ron und Trudy sind Hippies. Sie sehen auch in ihren späten Sechzigern so aus, als ob sie gerade eben „No rain“ in Woodstock gebrüllt hätten. Ron und Trudy leben seit über 35 Jahren auf einem Strand in Costa Rica. Mitten in dieser völligen Einsamkeit haben sie einen botanischen Garten hochgezogen. Ab und zu werden durch diese Paradies-Filiale Ladies in sehr weißen Turnschuhen von Kreuzfahrtschiffen durchgetrieben. Davon leben sie. Einmal in der Woche fahren sie mit dem Boot zum Einkaufen. Das ist ihr einziger Facetime-Kontakt mit der Zivilisation. Sie besitzen erst seit zwei Jahren Internet. Davor hatten sie einfach keine Ahnung, was in der Welt vor sich geht. Ab und zu quartieren sie einen Volontär in einer Hütte ein, der gegen Logis gärtnert. Essen muss der allein. Der „Gast“ hat sich auch vertraglich zur sozialen Autonomie zu verpflichten. „Das ständige Gequatsche macht mich krank“, sagt Ron. Zöpfchen-Trudy flüstert: „Wir lieben die Stille.“ Wir schweigen uns gemeinsam durch einen Tee. Es ist ein völlig friedliches Schweigen. Die einzige Geräuschkulisse stellt der Regenwald. Hier weiß man nicht einmal, wie man Versäumnispanik buchstabiert. Ich überlege einen Crashkurs in Botanik zu belegen und bei Symbiose-Ron und Trudy im Zivilisations-Detox-Camp den Part der schweigenden Gärtnerin zu übernehmen. Wahrscheinlich würde ich aber in Kürze einen Paradieskoller entwickeln. Und in Folge an einem Großen-Klappen-Verschluss elendig zugrunde gehen. Oder mir heimlich Konversations-Stricher vom Festland kommen lassen, die mit mir gegen Dollars über das Wetter, bedrohte Schildkröten und Aronstabgewächse plaudern. Es wäre wirklich verantwortungslos, sich mit Gewalt gegen die eigene Natur zu richten. Wie gesund diese Art von Eigennatur-Vergewaltigung auch immer sein mag.