Leben

Im Shitstorm der Schmerzen

Männer haben auch beim Liebeskummer die Nase vorn. Während unsereins so einen Shitstorm der Schmerzen mit der Lektüre herbstlastiger Lyrik, einem Regimentsvorrat von affiger Schokolade, dem Besuch einer Tangoklasse und sehr bald als Spontanidiotien zu verwerfenden Frisurexperimenten zu bekämpfen trachtet, beherzigen die Jungs meist die alte Reiterregel: Kaum wurde man vom Pferd abgeworfen, gilt es schon munter das nächste zu besteigen. Trauerarbeit ist Attacke auf die Lebenszeit. Ihre auf das zeitliche Minimum beschränkten sexuellen Sabbaticals vertreiben sie sich im Kreise Gleichgesinnter – solcher, die Frauen auch gerade als überschätzte Schöpfungsinstitution und Beziehungsarbeit als Zivilisationsfluch bewerten. Gallgrün könnte man werden vor Neid.

Besonders wenn man das Pech hatte, zur emotionalen Erstversorgung einer blutenden Herzensfreundin abkommandiert worden zu sein. Seit fünf Stunden drehen wir uns in der monothematischen Endlosschleife: "Dieses liebesunfähige Sonderangebot!", zwei Gin’n’Tonics später: "Ich hätte ihm noch so viel zu geben gehabt!"; nach dem Verzehr einer Schokotrauben-Familienpackung: "Wahrscheinlich hatte er Angst vor der Wucht unserer Gefühle"; dann "Seine Mutter, dieses Miststück, konnte mich von Anfang an nicht leiden!", kleiner hysterischer Weinkrampf. Danach: "Möge die Prostata dieses Kretins auf die Höhe des Millenniumtowers anwachsen!"

Völlig ermattet hauchte ich weit nach Mitternacht: "Es ist fünf Minuten nach Irrsinn, ich muss hier raus." – Sie: "Du seelische Gefriertruhe! Verpiss dich!" Es war eine therapeutische Win-win-Situation für uns beide. Sie wurde durch ein neues Feindbild, das sie ihrem Hass aussetzte, abgelenkt. Und ich konnte erleichtert das alte Jean-Gabin-Lied anstimmen: "Es lebe die Freiheit, besonders meine!"