Kalt-warm Lieben
Von Polly Adler
Hab ich auf meinem Rücken ein Tattoo, wo draufsteht: „Macht mich fertig!“ F hob ihr T-Shirt und legte den Rücken frei. „Nein, bloß ein langwimpriges Einhorn, das Regenbögen pinkelt“, versuchte ich ihre Laune mit einem Tritt aufs Spaßpedal wieder ein wenig zu heben. Es gelang nicht. Sie war einfach zu deprimiert. Ihr manisch-depressiver Herzensherr war seit Tagen auf Tauchstation. Er hob nachhaltig nicht sein Handy ab. Vor drei Tagen und zirka 5,7 Stunden hatte er ihr noch erklärt, dass er mit ihr IVF-Zwillinge und den Ankauf eines Fuhrwerkerhauses in sicherer Ferne von Wien andenke. Ich verschickte ein Quantum Trost: „So gesehen hast du so die besseren Karte gezogen.“ – Sie schwieg. – „Oder wolltest du mit 47 noch einmal in so ein Pampers-Purgatorium abtauchen?“ – „Darum geht’s nicht. Es geht um den „return“ meines emotionalen Investments. Einen manisch-depressiven Mann zu lieben, ist sauanstrengend. Kalt-warm-Bandagen nonstop. Einmal wirst du von ihm als Gottesbeweis von Frau hochgejazzt, zwei Tage später weiß der Typ nicht einmal mehr, was du für eine Augenfarbe hast.“ – „Sperlingseierbraun!“ – „Melancholisches Nougat, du Kellerkind!“ Das Kellerkind hätte ihrer Freundin gerne gesagt, dass das Krankenschwester-Genre auf Dauer das allerundankbarste ist. Und F ihr Dauer-Abo auf Problembärchen einmal fristlos kündigen sollte. Denn kaum hängt man die maroden Jungs an den Zuwendungs- und Bekümmerer-Tropf, machen sie, sobald wieder bei Kräften, den Abgang. Weil die Zeuginnen ihres Unglücks entsorgt werden müssen. Und sie woanders einen Neustart als Checker-Charlies hinlegen können. Doch das wollte F. nicht hören. Sie wollte lieber oberschenkeltief im Selbstmitleid waten. Jeder ist der Architekt seines eigenen Unglücks.