Haie im Wohnzimmer
Von Polly Adler
"Schau“, der da drüben“, sagte S, der Zukünftige meiner Freundin, „der hat ein Vermögen von 75 Millionen Pfund verblasen.“ Der Verblaser war ein kleiner, krummbeiniger Mann mit einer Gesichtsfarbe, die von Whisky-Konsum lange vor 18 Uhr erzählte. Rein optisch wäre er unter den Herren in mobilen Wohnsituationen am Westbahnhof nicht aufgefallen. Wir saßen auf dem Marktplatz von Campanet, einem mallorquinischen Ort, in den es viele Aussteiger verschlagen hat. Zwei Tische weiter saß eine Finnin, die ihrem kokainsüchtigen Reitlehrer so sehr verfallen war, dass sie eben ihre fünfköpfige Familie in die Luft gesprengt hatte. Links von uns führte eine Augsburger Boutiquenbesitzerin, die in einer Burn-out-Tragödie steckte, eine Fiepslaut-lastige Konversation mit ihrem Windhund. S raunte mit Blick auf die schiefe Hüfte: „Er besitzt nichts, nicht einmal ein Pförtnerhäuschen.“ Ich warf ein Zitat des britischen Kickers George Best ins Gespräch: „Ich habe alles für Alkohol, Frauen und schnelle Autos ausgegeben, den Rest habe ich einfach verprasst.“ Dann erzählte S, dem der britische Jetset eine wohl vertraute Spezies war, von den schrägen Festen dieses Cecil: „Bei seinen Partys wurden Aquarien angeschleppt, in denen sich Haie und Barrakudas tummelten. In seiner Gstaad-Phase drehte er dann völlig durch: Er spazierte kostümiert durch die Gegend – als Elfenkönig, aber auch als Rauchfangkehrer. Cecil fand die Arbeiterklasse immer frivol. Was wäre die Welt ohne diese exzentrischen Menschen! Ein blasser Ort!“ Jetzt würde ein berühmter Romancier Cecils Exzess-Vita zu einem Buch verdichten. „Er hinterlässt wenigstens ein Kunstwerk, für das er alles gegeben hat: sein Leben“, flüsterte ich und wir erhoben unsere Gläser in Richtung Cecil, den Oscar Wilde mit Sicherheit bis zum Antrag in sein Herz geschlossen hätte.
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