Leben

„Hätt i sollen?”

Abends steche ich mit der Zille ins Strassenbahnerbad. Fleischlaberltechnisch eine Bringer-Location. Ist aber der Treff der Fischer, die an der Alten Donau stundenlang ihre Kreise drehen und ab und an so einen apathisch blickenden Wels nach oben ziehen, dem dann kurz wieder die Überlebensgeister einschießen. Mit dem Lebensurteil „Kätsch and rilis“ (auf Echtenglisch: Catch and release) wird das Teil dann wieder in den Schlamm befördert. Den genauen Sinn dieses „Sports“ habe ich nie begriffen, aber: Hey, Männer, ihr seid nicht auf die Welt gekommen, dass wir Weiber euch verstehen. Wäre auch zu langweilig. Unter den Petrioten saß der Herr K., der einen der Physiognomie der Welse nicht unähnlichen Gesichtsausdruck sein Eigen nannte. Der Herr K. war frisch geschieden. Nach 47 Jahren. Unfreiwillig. Ich stellte die blödeste aller Fragen: „Warum ist sie gegangen?“ – „I waß net.“ – „Haben Sie sie nicht gefragt?“ – „Warum? Hätt’ i sollen?“– „Nun ja, nach einem halben Jahrhundert?“ Er sah mich müde an, so müde wie der Filialleiter-Stellvertreter eines eben still gelegten Postamts: „Hätt’ eh nix g’ändert.“ Offensichtlich hatte der Mann in seiner Jugend John Wayne studiert, der seinen Geschlechtskollegen irgendwann den Aufruf zur Kommunikationsökonomie mit auf den Weg gegeben hat: „Talk low, talk slow and then don’t say very much.“ Irgendwo zwischen dem Welsianer und jener Sorte von „aufgeschlossenen“ Männern, die in jedem zweiten Satz „Und? Wie geht’s dir damit? Wir sollten reden!“ flüstern, muss es doch eine Art von Kompromiss geben. Aber wahrscheinlich nicht in meiner Altersgruppe. Jetzt denke ich an den saublöden Witz, wo eine Frau ihren Mann anschreit: „Du musst endlich lernen, über deine Gefühle zu reden!“ Er: „Ich habe das Gefühl, dass ich dringend ein Bier brauche.“

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