Elternsätze
Von Polly Adler
Hilfe! Es ist das eingetreten, was ich immer vermeiden wollte: Ich gebe Sätze von mir, mit denen mich schon meine Mutter genervt hat. Das Kind hat auf dem Flughafen ganz rosige Bäckchen vor lauter Vorfreude, dass es mich für zwei Wochen los wird. Ehe es mir einen Abschiedskuss verpasst, rattere ich los: „Unsere Perle kommt nicht, um deinen Dreck weg zu räumen, das erledigst du bitte selbst ...“ – „Alles klar.“ – „Bestell nicht ständig beim Chinesen, ich habe dir ein Kalbscurry eingefroren.“ – „ Jajaja ...“ – „Es müssen nicht immer alle zu uns kommen. Macht’s eure Parties einmal woanders ...“ – „Woanders sind die Alten entweder zu Hause oder die Wohnungen sind klein und versifft.“ Das Argument war relativ stichhaltig. Ich hatte ohnehin schon Totenköpfe auf die Kisten mit dem Weihnachts-Champagner gemalt. Auf dem Weg in den Flieger überlegte ich mir, welche Elternsätze weltweit die Charts anführen müssten. Ich kam zu folgenden Ergebnissen: „Du rufst nur an, wenn du was brauchst ...“ – „Hab’ ich dich geweckt?“ (meist so gegen 7 Uhr 40), „Was macht man mit so einem Studium eigentlich beruflich?“ – „Wir kommen gerne. Aber wo sollen wir dort parken?“ – „Kein Wunder, dass du ständig verkühlt bist.“ Ich musste an einen Besuch in einem Altersheim denken, wo eine 86-Jährige ihren 60-jährigen Sohn mit der Aufforderung an ihn „Grüß schön, Pepi!“ vorgestellt hatte. Neu ist bei uns jetzt, dass der Fortpflanz mich wie sein erstes Problembärchen behandelt. Unser erstes Ferngespräch lief so ab: „Schwimm nicht zu weit raus, hör auf zu rauchen, schlaf dich aus, trink viel Ingwertee.“ – „Und wenn du jetzt sagst, dass ich den nassen Badeanzug wechseln soll, dann lass’ ich mich von dir scheiden.“ – „Hähä, das geht nicht – von seinem Lebensinhalt kann man sich nämlich nicht scheiden lassen.“
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