Leben

C-H-I-L-L-E-N forever!

Und? Was habt ihr Grazien heute so vor?“, frage ich die Fortpflanz-Meute, die sich bei uns am Samstagabend zusammenrottet. „C-H-I-L-L-E-N“ kommt es im Chor. „Wollt ihr gar nicht ausgehen in irgendeinen heißen Club, Ausdruckstanz an Shots von garstigen Getränken und so weiter?“ – „Bloß nicht, ich bin viel zu verspannt. Greif mal, Mama. Eigentlich bräuchte ich wieder dringend eine Cranio-sacral-Massage.“ Das Kind reibt seine Fingerchen aneinander, um zu signalisieren, dass Muttern Mäuse rüberwachsen lassen sollte, wenn ihr das Wohl ihres Lebensinhalts nur einen Funken wert wäre. „Das ist alles psychosomatisch“, konstatiert eine der Gören, „im Nacken sammelt sich der ganze Seelenmüll. Sagt mein sensomotorischer Körpertherapeut ...“ – „Apropos Therapie“, konstatiert eine andere, „ich habe meine Alten jetzt so weit: Ich gehe nächste Woche zu einem Sigi, damit bereits jetzt die Weichen für mein gesundes Beziehungs-Ich gestellt werden.“ – „Zu einem was?“ – „Einem Sigmund-Freud-Dude, einem Navigator für meine Seele.“ – Der Fortpflanz schickt mir einen strengen Blick: „So einen Sigi könnte ich auch gebrauchen. Bei der Kindheit! Mutter verheiratet, aber mit ihrem Laptop, Vater unter ferner liefen, emotionale Dauerverarmung mit wechselnden Aupair-Mädchen ...“ Ich greife zum Telefon: „Sollen wir amnesty international anrufen? Damit sie dich aus diesem Käfig der Unmenschlichkeit befreien?“ Das Kind verdreht die Augen und schnaubt: „Mutter, bitte nicht witzig sein!“ Himmel! Diese Gören sind gerade einmal 20 und benehmen sich wie dekadente Lebensmitte-Hauptberufsgattinnen. „Was werdet ihr eigentlich mit 50 machen, wenn ihr bereits jetzt solche Sorgen habt“, frage ich die Truppe. Und die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: „C-H-I-L-L-E-N, was sonst!“


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