Leben

Achtung, Geschmackspolizei!

Ich entwickle zunehmend eine Bobo-Intoleranz. Früher fand ich diese „Bohemian Bourgeoisen“ mit ihrem Nachhaltigkeitsgestreber, den Nerd-Brillen und ihren lustigen Recycle-Taschen als eine drollige Bereicherung des Typenzoos. Sie kamen einem soziologischen Händedruck aus Hippies und Struktur-Junkies, auch Spießer genannt, gleich, und waren nach den konsumvertrottelten Leistungsneurotikern, früher Yuppies, irgendwie erfrischend. Meine Unverträglichkeit hat vor allem damit zu tun, dass dieser Menschenschlag es zur Weltmeisterschaft im Dauerklugscheißen gebracht hat. Ständig erklären einem diese Mangalitza-Futterer, wie man zu essen, denken, Kinder zu erziehen und wen man zu defrienden und liken hat. Welche Singasongwriter mit (oft) Frisuren, die noch trauriger als die dazugehörigen Lieder sind, man sich reinpfeifen muss. Warum man unter allen Umständen den Glutenfreiheitskampf zu führen hat. Wieso Stricken plötzlich so geil ist, wie früher Tischtänze an satt Kokain. Warum Kinder, die mit Vornamen wie Gretchen und Rufus geschlagen sind, ein „Nein“ traumatisieren könnte und man seine Entscheidungen mit ihnen beim Fingerfarbenweitwerfen spielerisch diskutieren sollte. Diese selbstgerechte Geschmacksdiktatur geht mir dermaßen auf den Keks, dass mein neuestes Hobby Bobos-auf-die Palme-Bringen heißt. Das geht ganz einfach: Gehen Sie in so eine Sojamilch-Boutique oder Karottensuppe-an-Ingwer-Ausspeisung und erklären Sie Ihrem Gegenüber laut, dass Bonnie Tylers „Total Eclipse of the Heart“ Sie noch jedes Mal zum Weinen bringt, Ihr Traumauto ein Golf GTI ist, Jazzbrunches wieder voll grooven und Menschen, die die Mülltrennung ernst nehmen, die neuen Beckenrandschwimmer sind. Das finden die nachhaltig nicht komisch. Und ich find' das super.

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