Leben

Das Vasen-gate

Es wäre alles so prächtig gewesen, seufzte H. Der Mann hatte bereits erwachsene Fortpflänze, mit denen man nicht mehr auf Patchwork-Supermum machen musste. Er bekam keine Symbiose-Paranoia bedingte Gaumenzäpfchenfraktur, wenn er Sätze wie "Du machst mein Leben soviel schöner" flüsterte. Er hatte noch Haare am Kopf. Lachte im Museum bei den richtigen Bildern. Konnte ein Safranrisotto zaubern, das einen vorderen Rang auf der Liste der Gottesbeweise einnahm. Aber dann brachte ein winziger Vorfall diese Idylle-Attrappe zum Einkrachen. H hatte mit den Flatterärmeln ihres mondänen Seidenkimonos eine Vase von seinem Couchtisch geräumt. Das ohnehin geschmacklich diskussionswürdige Teil war in tausendTeilchen zerborsten. Und mit ihr H’s Illusion nach langen Jahren erratischer Two- bis Three-Nightstands endlich wieder mehr emotional solides Paris in ihrem Leben zu haben. Denn der Anblick des Vasen-Wracks hatte bei dem Herrn einenTourette-Anfall der Kategorie A zur Folge. Er zeterte mit puterrotem Kopf auf das Unflätigste los: "Trampl, patscherter! ... Wie kann man nur so deppert sein? Sowas Vertrotteltes, meine schöne, geliebte Vase einfach so ermorden. 15 Jahre war sie schon bei mir!" H nahm den nächsten Notausgang. Ich tröstete sie. Was für ein Glück, dass der Mann sein impulsgetriebenes Zornmanagement-Defizit schon so früh offen gelegt hatte. Ehe man nämlich gemeinsame Urlaube ohne Stornovorsorge gebucht und sich bei seiner Mutti offensiv eingeschleimt hatte. "Du solltest der kaputten Vase einen Blumenstrauß schicken", ermunterte ich sie, "sie hat dir soviel Leid erspart und Lebenszeit geschenkt." H sah mich wie etwas an, was die Katze von sehr weit draußen hereingeschleppt hatte, und fragte: "Gibt es in meinem Leben eigentlich nur mehr Verrückte?"