Leben

Alles total situationselastisch

Der freie Markt ist ein grausames Pflaster. Und jetzt die gute Nachricht: auch für Jungs. Unlängst brauchte ich Zwiebeln. Ohne die läuft in meiner Küche gar nichts. Es saßen hungrige Menschen um meinen Tisch. Also zum Nachbarn. Ich kannte ihn kaum. Nema problema mit den Zwiebeln. Aber dann seine Frage: „Sie sind doch vom Fach?“ Ähem, wie meinen? „Na ja, Beziehungen und der ganze Schas.“ – „Wo is’ das Problem?“ – „Ich möchte mich ganz gern binden.“ – „Good luck.“ – „Aber, ganz ehrlich ...“ – „Was?“ – „I bin verzweifelt.“ – „Sie sind doch a fescher, empathischer Bursch’.“ – „Genau. Aber die Frau, ganz generell, schätzt das nicht. Es gibt kaum an Konsens.“ Das letzte Wort bereitete ihm einige Artikulationsschwierigkeiten. Ich setzte meinen Und-wie-geht’s-Ihnen-damit-Blick auf. Das war unvorsichtig: „Hat ane an Schmäh, gibt die sonst zu viel Gas.“ – „Hähh?“ – „Na, die ist zwar lustig, aber sprengt sich ständig vom Planeten, rein alkoholtechnisch. Hat ane kan Schmäh, will die gleich in Minute vier ein Grundsatzgespräch.“ – „Welchen Inhalts?“ – „Marke: Was is’ des jetzt für di? Und wie soll des alles weitergehen? Wir müssen reden, weil i brauch a Beziehungskonzept.“ Die Zwiebeln waren teuer, weil ich sollte jetzt die Frage beantworten, warum Frauen gerne nach dem dritten Date und dem zweiten Beischlaf gleich wissen wollen, was man zu Silvester 2016 zu planen gedenkt. Und tatsächlich: Ich musste dem Mann recht geben. Wir sind viel zu viel „Was ist das jetzt genau- für dich“-orientiert. Wenn wir den Angelegenheiten einfach „situationselastischen“ Entwicklungsspielraum geben würden, hätten alle Beteiligten viel mehr Spaß. Apropos: Situationselastisch ist mein neues Un-Lieblings-Wort. Es gab dann spät, aber doch noch Essen. Situationselastische Nahrungsaufnahme. Und alle waren glücklich.


polly.adler@kurier.at