Love me, Tinder!
Von Polly Adler
Tinder“ – das war diese Dating-App, die 2013 das Paarungsverhalten der 17-Somethings flächenbrandgleich auf einen zutiefst pragmatischen Nenner brachte. Mit den Filtern Umgebungsradius und Alter sowie einem Selfie, das jene Hey-What’s-up-Munterkeit ( die unsereins nur aus Werbespots für Energieriegel bekannt ist) transportierte, konnten die jungen Menschen so hormonelles Zeitmanagement mit hoher Effizienz betreiben. Mittels Wischbewegung war entschieden, ob das Angebot für immer in der Rubrik UFM (Unfuckable Material) begraben werden oder Herzchen-Status erhalten würde. Zähe „Laberflashs“ wurden so „low gecuttet“, schließlich war das Leben ohnehin schon viel zu viel TMI („Too much information“). Wir schüttelten uns, während das eigene Fleisch und Blut kreischend mit ihren Co-„Tinderellas“ OMG-Salven los ließ, um „It’s a match“-Triumphe mit der gebotenen Hysterie zu begleiten. Inzwischen swipen 600 Millionen Menschen auf solchen Apps. Die größte Angst der Frauen beim „Tindern“ laut Studien: „Ich könnte einen Serienkiller treffen.“ Die tiefste Furcht bei den Männern: „Was ist, wenn sie mir zu fett ist?“ „Kaum saß ich auf dem Bidet, tinderte der Typ schon wieder los“, hörte ich unlängst beim Friseur zwei Anfang-Thirties ihren Wisch-und-weg-Blues bemurmeln. „Vielleicht doch wieder Old-School-Onlinedating?“ seufzte die eine, als ob Gefahr bestünde, dass wieder das Postkutschenzeitalter anbricht. – „Ach, Herzchen, willst du wirklich mit einem Turn- und Geografie-Lehrer beim Außenbezirks-Griechen seine Mountainbike-Abenteuer und die Vorzüge von veganer Ernährung beplaudern?“ – „Stimmt, der Risikofaktor ist hoch, aber wie kommt man sonst an Kerls?“ – „Vielleicht doch mal wieder auf die analoge Tour?“ Da kicherte sie: „So weit willst du wirklich gehen?“