Leben

Benzin im Blut

Gemeinsam sind sie 159 Jahre alt. Heidi Hetzer und ihr „Hudo“. Sie eine rüstige Legende mit Berliner Schnauze, er ein Amerikaner mit acht Zylindern. Zwei Beine, vier Räder: Ein Duo, wie es auf der Straße eher selten anzutreffen ist. Noch.

Nächstes Jahr nämlich wollen sich die beiden ausgiebig blicken lassen, sie wollen den Globus bereisen. „Am 15. Juli 2014 soll es losgehen“, teilt die Oma mit dem Benzin im Blut mit. Und das nicht bloß aus Jux und Tollerei. Sondern weil die Dame Zeit hat. „Ich bin nun im Ruhestand und möchte endlich mal was für mich tun“, sagte die passionierte Autofahrerin jüngst in der ARD-Sendung „Beckmann“. Man kann aber davon ausgehen, dass mehr dahintersteckt. Die gelernte Kfz-Mechanikerin will sich und der Welt beweisen, dass sie selbst genauso wenig wie ihr automobiles Prachtstück, der bestens in Schuss gehaltene Hudson Greater Eight, Baujahr 1930, noch lange nicht zum alten Eisen zählen.

Daher plant sie die ganz große Tour, von Europa über Asien und Amerika wieder zurück. „Ich reise entlang der Route von Clärenore Stinnes, die von 1927 bis 1929 als erster Mensch überhaupt in einem Auto eine Weltrundfahrt gemacht hat“, sagt Heidi Hetzer. Das passt. Auch die frühere Opel-Händlerin ist eine Pionierin. Die 1937 geborene Autofrau nahm schon seit den frühen 1950er-Jahren erfolgreich an Rallyes teil. Zuerst mit einem Lambretta-Motorroller, dann mit jenen Fahrzeugen, die ihr der Vater zur Verfügung stellte. Heidi Hetzer war bei einer Rallye Monte Carlo dabei, mit einem Opel-Rennwagen aus dem Jahr 1911 absolvierte sie souverän eine Rallye von Paris nach Berlin und vor 16 Jahren nahm sie erfolgreich an der Panama-Alaska-Rallye teil – mit einem ganz normalen Opel Kadett.

Heidi Hetzers Fahrstil ist dabei durchaus als engagiert zu bezeichnen oder, wie sie ihn anschaulich charakterisiert: „Volle Pulle und dann ’n Millimeter zurück.“ Stimmt, Tempo ist wirklich kein Problem, wenn sich die stolze Besitzerin hinter das voluminöse Volant ihres Hudson Greater Eight klemmt. „,Hudo’ bringt es laut Fahrzeugschein auf gerade einmal 90 Stundenkilometer“, stapelt sie verschmitzt tief. Dabei, man ahnt es schon, lässt sich ein spürbar höheres Tempo aus dem alten Ami herauskitzeln. „Auf der Avus bin ich mit dem auch schon 110 gefahren“, meint sie mit schelmischem Blick.

Der Hudson Greater Eight ist zwar auch nicht an jeder Ecke zu sehen, aber er verströmt nicht jene Art von Glanz & Glorie, die man als Besitzer gerne an Ketten legt. Außerdem ist der Hudson leichter zu reparieren, falls unterwegs einmal eine Panne auftritt. Eben erst wurde die Karosse elektrisch etwas aufgerüstet, von sechs auf immerhin zwölf Volt. Ein Klacks für eine erfahrene Kfz-Mechanikerin, die es noch zu schätzen weiß, wenn ein Motorraum nicht so steril wie ein Showroom daherkommt. Schraubenschlüssel und sonstiges Werkzeug findet sich im „Hudo“ sowieso zu Hauf. Und damit darf man sich ruhig auch die Hände schmutzig machen.

Fad wird ihr also nicht werden, schon gar nicht, weil sie die historische wie auch nostalgische Reise nicht solo antritt. Klug wie sie ist, nimmt Heidi Hetzer nämlich einen Mechaniker mit. „Auf einer Reise ist es sowieso immer besser, wenn man zu zweit ist“, betont sie mit einer Extraportion Lebenserfahrung in der Stimme, die zugleich jeden Gedanken an mögliche romantische Momente vertreibt. „Einer von uns beiden wird wahrscheinlich im Auto schlafen, damit es nicht geklaut wird.“ Apropos stehlen. Ursprünglich wollte sie den Trip mit ihrem Hispano Suiza bewältigen. Gut erhaltene Exemplare des spanisch-schweizerischen Klassikers sind mehrere Hunderttausend Euro wert. Für manche zwielichtige Gestalten schon eine Versuchung.

62.000 Kilometer hat der Hudson Greater Eight jetzt auf dem Tacho. Erstaunlich wenig für ein 83 Jahre altes Gefährt. Nach der Weltreise werden noch einmal an die 66.000 Kilometer dazukommen und zwar in vielen kleinen Etappen zu jeweils 200 Kilometer. Der exakte Streckenverlauf steht noch nicht ganz fest. Wenn sie wie geplant am 15. Juli 2014 in Frankfurt startet, wird sie jedenfalls in einem Detail ganz entscheidend von Clärenore Stinnes’ Route abweichen: Afghanistan und andere politisch sensible Regionen im Orient und im Nahen Osten lässt sie links liegen. Letzte Fragen bezüglich der Logistik sind noch offen – Frau Hetzer ist nach wie vor auf der Suche nach einem Schiffsunternehmen, das sie und „Hudo“ über die Ozeane schippert –, von einem aber kann man ausgehen: Ihre Garderobe wird selbst auf den staubigsten Landstraßen glänzen.

Gerade kommt „Hudo“ von einem Schaumbad zurück. Die perfekte Gelegenheit, mal zu schauen, welche Handtasche farblich dazu passt. „Er kleidet sich immer Blau und wir müssen uns noch aneinander gewöhnen“, gestand Heidi Hetzer vor zwei Monaten. Längst aber weiß sie: „Die Handtasche in dem Opel-Gelb steht uns beiden am besten.“ Wenn es anders wäre, auch kein Problem. Sie hat diese Tasche in allen Farben.

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Direkt putzig, Apple-Gründer Steve Jobs’ erstes Auto. Ein gebrauchter Nash Metropolitan. Man schrieb das Jahr 1970, Steve war noch nicht ganz „sweet sixteen“ und der kleine Nash das „uncoolste Auto der Welt“, wie Jobs in seiner Autobiografie sagt. Das stimmte so nicht ganz. Selbst Paul Newmann und Elvis Presley fuhren auf den Zweitürer ab, der – nomen est omen – als Stadtflitzer gedacht war.

In den USA war der Kleinwagen von 1954 bis 1962 auf dem Markt. Allerdings nicht immer unter einem Namen: Nash fusionierte noch 1954 mit der Firma Hudson Motor Car Co. zur American Motors Corporation (AMC). Die brachte etwa 1975 den kugeligen Pacer auf den Markt, der erst mit großer Verspätung in der Komödie „Wayne’s World“ (1992) zu einem gewissen Ruhm kommen sollte. Auch das erste Crossover-Fahrzeug stammt von AMC, der 1979 präsentierte Eagle. Hudsons Stolz war das von 1951 bis 1954 produzierte Oberklassemodell Hornet („Hornisse“). Auch wenn man es heute kaum glauben mag, dieser Wagen war in den 1950ern x-facher Sieger in der NASCAR-Serie.

Obwohl ein Oldie, dürfte dieser Wagen den Kids von heute sehr vertraut sein: Im Animationsfilm „Cars“ von 2006 lieh Paul Newman seine Stimme einem Hornet namens „Doc Hudson“ (Bild rechts), der der Sieger dreier „Piston Cups“ in den 1950er-Jahren war.Die Aufschrift „Fabulous Hudson Hornet“ verweist auf den aus Daytona Beach stammenden Rennfahrer Marshall Teague, der mit diesem Auto in der Champ-Car-Serie 14 Siege in Folge gefeiert hat.

Der Vater, Hugo Stinnes, war ein Synonym für Schwerindustrie, die Tochter Clärenore die erfolgreichste Rennfahrerin Europas. Geboren im Jahr 1901, zu einer Zeit also, als das Automobil gerade aus der Krabbelstube entlassen wurde, nahm die Pionierin der PS-Szene schon als 24-Jährige an einem Autorennen teil. Bis 1927 triumphierte sie bei immerhin 17 Wettfahrten und konnte sich so erfolgreichste Rennfahrerin Europas nennen. Die entscheidendste Fahrt ihres Lebens war nicht eine gegen die Zeit, sondern ins Ungewisse: Zwischen 1927 und 1929 bewältigte die Clara Eleonore getaufte Lebefrau in einem Adler Standard 6 die fast 47.000 Kilometer lange Strecke von Berlin über den Balkan nach Moskau durch Sibirien nach Peking, Japan, Hawaii, Vancouver, Washington, New York, Le Havre und schließlich wieder Berlin. Mit an Bord war zeitweise der Fotograf Carl-Axel Söderström, den sie erst kurz vor der Abfahrt kennengelernt hatte. Zwei Mechaniker folgten im Begleitfahrzeug. Als sie die Tortur am 24. Juni 1929 auf der Berliner Avus beendete, bahnte sich längst ein weiteres Happy End an: Im Jahr darauf heirateten Stinnes und der schwedische Fotograf.