Leben

Auto-Virus

Die Welt des Elon Musk könnte ins Schwanken geraten. Sein Tesla-Elektroauto bekommt Konkurrenz von allen Seiten. Bereits im Alter von zwölf Jahren schrieb Silicon-Valley-Ikone Musk das Programm für ein Computerspiel und mischte Treibstoff für seine Modell-Raketen. Im vergangenen Jahr hat er vollmundig erklärt, er werde bis 2025 den Börsenwert von Apple erreichen – das wäre rund 30-mal mehr als die heutige Tesla-Marktkapitalisierung. Doch viele Experten, wie General-Motors-Legende Robert Bob Lutz, sind skeptisch: Ich wette jeden Betrag, dass Tesla untergehen wird. Damit die Rechnung für Elon Musk aufgeht, müssten eine halbe Million Autos pro Jahr produziert werden. Das ist auf absehbare Zeit unmöglich. Seit der Gründung von Tesla wurden erst 107.000 Wagen hergestellt – so viele wie bei GM in vier Tagen vom Band laufen. Auch nicht angenehm für Elon Musk: Auf dem gerade eröffneten Genfer Autosalon könnte es zum Showdown zwischen dem bisherigen E-Car-König und einem exotischen Newcomer kommen. Die Gefahr rollt aus China an: Das Pekinger Forschungsunternehmen Techrules zeigt in Genf den Prototyp eines elektrischen Supercars, bei dem ein technisches Detail nicht nur Elon Musk nervös macht: Der Sportwagen der Zukunft soll eine Reichweite von mehr als 2.000 Kilometern haben. Damit würde die größte Schwäche elektrisch getriebener Autos eliminiert sein.

Das 1.044 PS starke chinesische Wunderauto soll diesen – für viele unglaublichen – Radius ohne Aufladen nicht nur durch die Akkus schaffen, sondern durch eine Turbine für die Verlängerung der Reichweite. Die Chinesen sind – wie Musk – vollmundig und sprechen von einer Revolution. Vermutlich ist das technische Wunder eine Gasturbine. Dieses Konzept wäre dann nicht ganz so neu und innovativ, denn Jaguar präsentierte es schon 2010 im C-X75. Es ist ein Plug-in-Hybrid – der Antrieb erfolgt elektrisch, zwei Gasturbinen als mobile Stromgeneratoren sorgen für extreme Reichweite. Der Jaguar ging nie in Serie, beeindruckte aber zumindest als Gefährt des Bösewichts im aktuellen Bond-Film Spectre (da allerdings befeuert von einem herkömmlichen V8).

Die britische Sportwagen-Schmiede Arashcars präsentiert in Genf einen weiteren E-Car-Prototyp, der schon in einigen Jahren in Serie gehen könnte: Der Arash AF10 ist bereits ab 1,4 Millionen Euro zu bestellen. Der weit über 2.000 PS starke Hybrid-Sportwagen mit Warp-Antrieb, wie ihn die Briten nennen, hat im Heck einen 912 PS starken V8-Motor und vier Elektromotoren, die insgesamt 1.196 PS leisten sollen. Das Karbon-Allrad-Gefährt soll in 2,8 Sekunden auf Tempo 100 stürmen.
Aus dem hohen Norden naht bald ein weiterer, spektakulärer Elektroflitzer. Der blaue Blitz aus Finnland. Der Toroidion 1MW, der in elf Sekunden Tempo 400 erreicht haben soll – glaubt zumindest sein Entwickler Pasi Pennanen aus der Kleinstadt Raasepori an der Küste des Finnischen Meerbusens. Als achtjähriger Bub sah Pennanen den Film Le Mans mit Steve McQueen – und wurde vom Auto-Virus infiziert. Später entwickelte er Serien- und Konzeptfahrzeuge für Honda und Jaguar. Jetzt, als Mittvierziger, will er seinen Traum realisieren: Ein Auto, das die Welt verändern wird.

Der Finne gründete die Marke Toroidion mit dem mutigen Ziel, in den nächsten Jahren das erste Elektroauto zu bauen, das in Le Mans das 24-Stunden-Rennen gewinnen kann. Das Problem dabei: der Ladevorgang der Batterie und der damit verbundene Zeitverlust. Deshalb wird der finnische Supersportwagen mit einem neuartigen System für rasanten Batteriewechsel ausgerüstet. Der Fahrer entriegelt den leeren Akku und schiebt den vollen ein. Pasi Pennanen ist überzeugt, dass diese Technik auch bei kleinen Autos, Lkw, Motorrädern – und sogar in der Luftfahrt angewandt werden kann. Sein Wunderauto wird fast vier Millionen Euro teuer sein. Doch bereits in zwei Jahren, meint der Visionär aus dem hohen Norden – vollmundig wie alle in der E-Car-Branche – sollen die ersten Elektro-Geschosse aus Finnland die Welt erobern.

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Mehr als 2.000 Kilometer Reichweite soll der Sportwagen des chinesischen Herstellers Techrules haben, möglich wird das durch einen Hybridantrieb aus Elektromotor und Gasturbinen.
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Der finnische Toroidion 1MW soll mehr als 400 km/h schnell sein.

michael.horowitz@kurier.at