Ausgestossen
Von Gabriele Kuhn
Die „Schlampe“ war ja nie ein Fall für das glatte Parkett. Schlampen sind dem allgemeinen Verständnis nach Frauen, die keinen Genierer haben. Heißt: Sie agieren weit abgeschlagen vom Spielfeld der Noblesse und Zurückhaltung. Sie verführen, sie spielen mit Reizen – vor allem aber: Sie stampfen in die feiner ondulierten Schrebergärten jener „anderen“ Frauen, die sich nicht als Schlampen verstehen. Wo Schlampen sind, liegt folglich Neid und Eifersucht in der Luft. Die so Genannten sind weibliche Revierpinkler und werden weggebissen.
Natürlich liegt dies alles im Auge der Betrachter – es gibt nämlich auch die andere Seite der Gedankenmedaille. So betrachtet, sind Schlampen schlicht Frauen, die aufgehört haben, sich für alles zu genieren und für alles zu entschuldigen. Die nein sagen, die explizit mit ihrem Weibsein umgehen, die Männern auf gleicher Augenhöhe ein „Hey, gemma vögeln?“ ins Gesicht sagen trauen. So what? Männer, die sowas machen, sind Helden. „Besser Schlampe als gar keinen Sex“, heißt ein Buch, das man durchaus lesen sollte. Was irritiert: Schon 13-, 14-Jährige werden von anderen 13-, 14-Jährigen als „Schlampen“ tituliert. Manchmal mit Augenzwinkern – oft aber, weil die so Angesprochenen aus irgendeinem Schema kippen und nicht „konvenieren“. Sie haben in den Augen der anderen zu oft den Freund gewechselt, zu kurze Hosen an, zu viel Lippenstift, sich zu viel getraut. Häufig ist das der Anfang vom Untergang. Und einer Entwicklung namens „Bullying“. Dabei werden junge Menschen beschimpft, ausgestoßen, verhöhnt und verfolgt. Das, ohne irgendwas real getan zu haben. Ein virtueller Pranger, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt. Die Dynamik der Schubladisierung und der damit verbundene Domino-Effekt wollen es so. Falle zugeschnappt. Speziell in den USA ist das ein Riesenthema, zumal es in mehreren Fällen dazu führte, dass Betroffene Selbstmord begingen.
Auf Englisch heißt Schlampe übrigens „Slut“. Höchst beeindruckend ist da die Initiative einer jungen Amerikanerin namens Emily Lindin, die vor Jahren selbst einmal Opfer dieser Art der Diskreditierung war. Damals führte sie ein Tagebuch, in dem sie ihre Erlebnisse verarbeitete. Tief berührt von den Schicksalen anderer Mädchen, die ähnliches mitmachen mussten, aber daran scheiterten, gründete die junge Frau nun das „Unslut Project“. Mit dem Ziel, auf das Phänomen aufmerksam zu machen – gegen jede Form sexueller Diskriminierung. Vom Teenager, der als Schlampe beschimpft wird, weil er zu kurze Hosen trägt, bis hin zu jenen vergewaltigen Frauen, die medial zu Täterinnen abgestempelt werden. Auch Homophobie soll mit diesem Projekt bekämpft werden.
Mit Hilfe der Crowdfunding-Seite „Kickstarter“ (hier kann für eigene Projekte Geld gesammelt werden), ist es Lindin nun gelungen, das „Unslut“-Filmprojekt zu finanzieren. Darin sollen die Geschichten von Mädchen, die in den Selbstmord getrieben wurden, geschildert werden. Ebenso wie Lindins eigene Geschichte. Psychologen und andere Experten kommen zu Wort. Ich finde ja, die Idee ist so gut, dass man sie durchaus auch für Österreich nachahmen könnte. Anlass dafür gäbe es leider genug.