Spielzeug im Wandel
Es gibt nicht mehr viele Betriebe, die Spielzeug im Einzelhandel vertreiben und noch weniger, die noch selbst produzieren. Sie gehören zu einer kleinen, exklusiven Berufsgruppe, die – neben anderen – im holzgestaltenden Gewerbe zusammengefasst sind. „Rund 35 Spielzeugmacherbetriebe gibt es zurzeit in Wien. Diese sind im Firmen A-Z der WKO auf der Homepage firmen.wko.at leicht zu finden“, berichtet MMst Ronald Gollner, Berufszweigvorsitzender der Holzgestalter, der die KollegInnen in der Wiener Innung vertritt.
Mit der Zeit gehen
Unter der Marke „Partyshop“ vertreibt Andreas Greif im ersten Wiener Gemeindebezirk ausgewähltes Spielzeug für Kinder und Erwachsene unter dem Motto „Verkleiden und Spielen“. Dazu gehören Kostüme aller Art, Masken, Schminke, Perücken, Scherzartikel, Feuerwerke und alle erdenklichen Formen von Accessoires. „Der Betrieb wurde 1948 von meiner Großmutter gegründet, von meinen Eltern weitergeführt und 1993 von mir alsGeschäftsführer übernommen“, berichtet Andreas Greif über die lange Geschichte des Familienunternehmens. Im Lauf der Zeit hat sich die Produktion laufend verändert und an die Märkte angepasst. Waren es zu Beginn einfaches Spielzeug wieWindräder, Springschnüre oder Kasperlfiguren, wurden ab den 50er Jahren Indianer-Spielzeug, Trommeln und Federmasken produziert. Ab den 60er Jahren begann die Produktion von Faschingskostümen, die über den Spielwarenhandel in ganz Österreich vertrieben wurden.
Ebenso entwickelte sich der Großhandel mit Faschingsartikeln aller Art. Mitte der 80er Jahre begann der Export der traditionellen Rollenspielzeuge aus der eigenen Produktion. Abnehmer waren Spielwarenfachgeschäfte in vielen europäischen Städten. Anfang der 2000er kam Verkleidungsspielzeug stark in Mode. Kinder wollten aussehen wie ihre Eltern und Polizisten-, Krankenschwester-, Feuerwehr- oder Eisenbahnkostümewaren gefragt. „Das hat viele Jahre sehr gut funktioniert und bis vor kurzem haben wir diese Produkte auch noch selbst produziert“, berichtet Andreas Greif. Dass er nach der Pensionierung der bewährten Mitarbeiterin niemanden mehr finden konnte, der die Herstellung übernehmen wollte, bedauert Greif. Zufriedenstellend läuft sein Fachgeschäft für Party- und Faschingsartikel. Greif: „Statt auf den Online-Handel zu schimpfen, haben wir uns angepasst und vertreiben selbst einen Teil unseres Sortiments online“. Das klappt sogar mit den gefragten Krampus-Kostümen, weil die Größen hier ziemlich passgenau sind und es daher nur ganz wenige Retouren gibt.
Neuer Leitfaden
Ganz einfach wird die Zukunft für Spielwarenbetriebe und -hersteller aus seiner Perspektive nicht werden. „Selbst wenn jemand eine sehr gute innovative Idee hat, gibt es im Vorfeld eine ganze Menge zu beachten“; weiß Andreas Greif aus seiner langjährigen Erfahrung. Die Europäische Spielzeugnorm, die für den gesamten EU-Raum gilt, besteht aus 20 Teilen und regelt, wie ein Spielzeug beschaffen sein muss, um Sicherheit für Kinder zu gewährleisten. Zusätzlich spielen etwa Dokumentationspflichten und neben der Sicherheit vor allem auch das Kindeswohl eine große Rolle. Es handelt sich dabei um ein sehr umfangreiches Regelwerk mit heiklen Graubereichen und ohne Ausnahmen für Kleinsthersteller oder etwa Einzelanfertigungen. Um hier Klärung zu schaffen, arbeitet Andreas Greif gemeinsam mit seiner Kollegin Barbara Höller von Badala an einem Leitfaden der Rahmenbedingungen für Spielzeughersteller, in dem genau festgehalten werden soll, welche Regularien im Einzelnen einzuhalten sind.
Derzeit gibt es in Wien rund 35 Spielzeugmacherbetriebe.
Neues Spielzeug mit alten Schachteln
Barbara Höllers Interesse an der Gestaltung eines Leitfadens der Rahmenbedingungen für Spielzeughersteller ist schnell erklärt. 2017 hat die gelernte Grafik-Designerin ein Start-up gegründet, das ausgedienten Kartons neue Funktionen und kindlicher Fantasie innovative Spielräume eröffnet. „Verpackungen haben mich schon immer fasziniert“, berichtet Barbara Höller, „bereits in meiner Kindheit haben wir jede Waschmitteltrommel und jeden Karton neu verbaut“. Auch konnte sie ihre beiden Kinder dabei beobachten, dass sie sich stundenlang mit Kartons beschäftigten. Immer häufiger dachte sie darüber nach, wie man einen Karton ganz einfach in ein Spielzeug umwandeln könnte. Und kreierte eine ganze Vielfalt von Stickern, mit denen verschiedenste Gegenstände und Situationen mit einem Handgriff hergestellt werden können. Schnell zeigte sich, dass das Repertoire nahezu unbegrenzt ist: Von der Küche über die Eisenbahn, vom Adventkalender bis zum Flugzeug, vom Piratenschiff bis zum Mondfahrzeug ist alles möglich. Das Unternehmen „Badala“ war geboren. „Badala kommt aus dem Panjabi“, erklärt Barbara Höller. „Das bedeutet in indischer Amtssprache ,Verwandlung„. Weil unsere Sticker einerseits die Kartons in ein Spielzeug verwandeln und andererseits, weil sich die Kinder im Rollenspiel verwandeln.“
Soweit ihr bekannt ist, gibt es weltweit nichts, wo man sofort und ganz simpel auf einen Karton etwas aufklebt und die Kinder sich im Nu selbst etwas schaffen können. So beschreibt sie ihre Herangehensweise und die Konzeption ihrer Sticker. Dass diese gemeinsam mit den Kindern entwickelt wurden, war ihr und ihrem Team besonders wichtig. Genauso wichtig ist Barbara Höller auch Social Impact und die Nachhaltigkeit. „Oftmals wird den Kindern vorgeworfen, dass sie nur noch in ihre Handys starren“, sagt Höller. Mit den Badala-Stickers und den Kartons beschäftigen sie sich oft stundenlang und sind dabei unglaublich einfallsreich. Wertbefreites Spiel fördert sowohl die Intelligenz als auch die Kreativität, ist Höller überzeugt.
Gelebte Nachhaltigkeit
Kartons werden nicht auf dem Müll entsorgt, sondern wiederverwertet. Sie sind tendenziell robust und lange haltbar, wodurch ihr Lebenszyklus deutlich ausgedehnt wird. Der Ressourcenverbrauch wird reduziert und für eine Rückführung in den Kreislauf ist gesorgt. BADALA sind umweltfreundliche, plastikfreie und pädagogisch wertvolle Sticker, die Kartonmu ll in ein tolles Spielzeug transformieren. Das Papier stammt zu 100 Prozent aus nachhaltigen Quellen. Darüber hinaus bemüht sich Badala, die Lieferkette so umweltfreundlich wie möglich zu halten. Bewährt haben sich auch bereits Kooperationen, wie beispielsweise mit Holzmann-Kinderwerkbank. Mit eigens für das Unternehmen hergestellten Stickern können Kinder einen Karton in eine Rakete verwandeln.