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Zeit für Veränderung

Morelia im mexikanischen Bundestaat Michoacán ist eine schöne Stadt. So schön, dass sie aufgrund der gut erhaltenen Gebäude aus der Kolonialzeit eine der meistbesuchten Citys Mexikos ist und ihr historisches Zentrum seit 1991 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.

Morelia ist aber auch ein gefährlicher Ort. Der Kriminalitätsindex liegt weit über 50. Das hatten auch die Auftraggeber von HW Studio Arquitectos zu spüren bekommen: Ihr Haus war zur Zielscheibe von einem der vielen Raubüberfälle in der Metropole geworden.

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Neustart im Neubau

Viele wären nach so einem Erlebnis wohl einfach weggezogen. Doch das kam für Cesar Cortes und Sonia Patricia Serrato nicht in Frage. Zu sehr war das Paar mit dem Land verbunden und der Stadt, in der es sich sein Leben aufgebaut hatte. Geprägt von der Erfahrung wollte die beiden jedoch auch nicht länger in ihrem alten Heim wohnen bleiben. Deshalb entschloss man sich doch zu einem Umzug: in ein neues Zuhause, das die Architekten des ortsansässigen Architekturbüros planen sollten.

Denn wer, wenn nicht Planer aus derselben Stadt, könnte besser verstehen, was es architektonisch braucht, um sich in einem Viertel sicher zu fühlen, in dem die Kriminalität ständig zunimmt. Und außerdem: Leitete sich der Name HW Studio nicht aus der Verbindung des Buchstabens H, der im Spanischen für Stille und damit für Friedfertigkeit steht, und dem Buchstaben W ab, der für das japanische Konzept Wabi Sabi steht?

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Fensterlos und ohne Namen

Bei allem Verständnis und trotz gelebter Corporate Identity: Einfach war es für HW Studio nicht, dem Ehepaar das verlorene Gefühl der Sicherheit zurückzugeben. Ihr Wünsche an die künftige Residenz beinhalteten nämlich nicht nur ein diskretes, schmuckloses, strenges Design und hohe Mauern. Das No Name House sollte zudem gänzlich ohne Fenster nach außen auskommen. Und zu alldem gesellte sich dann auch noch eine tiefe religiöse Berufung der Bauherren, die sich während des Entwurfsprozesses herausstellte.

„Als wir ihr altes Haus besuchten, entdeckten wir eine enorme Menge an Kruzifixen, Jungfrauen, Engeln, religiösen Gegenständen und barocken Elementen, die den Raum mit Wärme erfüllten“, erinnert sich der leitende Architekt Rogelio Vallejo Bores. Zur Überraschung seines Teams suchten die Auftraggeber für ihr künftiges Heim jedoch genau das Gegenteil: „einen kalten und sogar sterilen Minimalismus, der für uns manchmal schwer zu verdauen war.“

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Radikaler Schnitt

Vielleicht war der radikale Schnitt dem Bedürfnis geschuldet, alles Alte – und damit den Überfall – hinter sich zu lassen. Für die Planer war jedoch klar, dass sie den geforderten Minimalismus dennoch mit der gelebten und erlebten Spiritualität des Ehepaares unter ein Dach bringen mussten. Keine einfache Herausforderung. HW Studio nahm sie dennoch an. Den Schlüssel zur Lösung sahen sie in der Konzentration auf Formen von heiligen Räumen, „in denen sich das Paar in der Vergangenheit sowohl physisch als auch spirituell immer geschützt und geborgen gefühlt hatten.“

Tatsächlich bot die Klosterarchitektur dem Team den geeigneten Leitfaden für die Erfüllung des 300.000-Dollar-Auftrags. So ist das 270-Quadratmeter-Haus jetzt wie ein Kloster um eine Reihe von Höfen herum organisiert. Jeder Hof wird dabei von einem Raum begleitet, der von einem Tonnengewölbe überspannt wird. Es verwischt die Grenzen des Daches, schwächt das Licht ab und ist eine Hommage an die zahlreichen Barockkirchen der Stadt.

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Einladung zur Kreativität

Nach außen hin wirkt das Bauwerk nüchtern, fast zu einfach, um der Komplexität und dem bunten Stilmix und Eklektizismus der umliegenden Gebäude zu trotzen. Aber nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten sind da mehr als nackte Mauern und ein strenger Klotz. HW Studio hat mit dem No Name House eine leere Leinwand geschaffen.

Das Gebäude ist „ein offener Raum für die Aneignung und persönliche Gestaltung durch seine Besitzer. In diesem Sinne sind seine Sauberkeit und Einfachheit keine Einschränkungen, sondern eine Einladung zu Kreativität und Experimentierfreude“ – und das innen wie außen.

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Weiße Box

Das No Name House steht in einem Viertel, in dem die ersten modernen Bauten Morelias errichtet wurden. Im Laufe der Zeit hat sich jedoch jeder Eigentümer sein Heim zu eigen gemacht und nach seinen Vorstellungen gestaltet. Das Ergebnis war und ist eine eklektische und vielfältige Mischung. Ein durchgängiger Stil, ein Trend, eine Linie? Sind nicht erkennbar. „In diesem Kontext wird die weiße Box zum Ausgangspunkt für künftige Transformationen. Ihre kontrastreiche Präsenz und ihre Offenheit für Veränderungen und Personalisierung kann als ein Weg interpretiert werden, die Tradition des Viertels zu bewahren und gleichzeitig neue Möglichkeiten für Veränderung und Entwicklung zu eröffnen“, erklären die Architekten.

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Katalysator des Wandels

Man könnte auch sagen: Das No Name House fordert seine Umgebung zu einem kreativen und dynamischen Dialog heraus und ist ein Aufruf, die Dynamik der Aneignung fortzusetzen. Wohin es sich in seiner Sauberkeit und Einfachheit entwickeln wird? Ist noch offen. „Aber ganz sicher wird es die Tradition der Anpassung und ständigen Umgestaltung der Häuser fortsetzen und zu einem Katalysator für zukünftige Veränderungen werden.“

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Und Veränderung ist es schließlich, was sich nicht nur die Hausherren wünschten. Veränderung ist auch das, was Morelia braucht. HW Studio hat sie mit dem No Name House eingeleitet.

Text: Daniela Schuster Bilder: Cesar Bejar; HW Studio Arquitectos

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