Geschichte im besten Lichte
Die 1870er und 1880er-Jahre haben New York City ihren architektonischen Stempel aufgedrückt. Das „Goldene Zeitalter“ – oder „The Guilded Age“, wie die Amerikaner sagen – war geprägt von bedeutenden Fortschritten in den Bereichen Technologie, Infrastruktur und Kultur. Ein weithin sichtbarer Höhepunkt der Ära war die 1883 fertiggestellte Brooklyn Bridge. Ein Wunderwerk der Ingenieurskunst, die Manhattan nach wie vor mit Brooklyn verbindet.
Alles im Wandel
Mit der Enthüllung der Freiheitsstatue 1886 festigte die Stadt dann endgültig ihren Status als weltweites Symbol für Hoffnung und die Chance auf ein besseres Leben. Für viele Einwanderer wurde dieses Versprechen auch wahr in der blühenden Metropole, die sie mit ihren Ideen und Traditionen bereicherten. Denn New York stellte sich den Herausforderungen, die sich aus der raschen Urbanisierung ergaben: Man setzte Maßnahmen für die öffentliche Gesundheit, verbesserte die Wohnverhältnissen und sorgte für eine effektivere Verwaltung. So wurde die City Ende des 19. Jahrhunderts zum Vorreiter einer visionären Stadtentwicklung und Vorzeigebeispiel für sozialen Wandel.
Aus dieser Zeit stammt auch das markante fünfstöckige Gebäude, das an der Kreuzung Crosby und Howard Street zu finden ist und heute zu den meistgeposteten Bauwerken des Stadtteils SoHo auf Instagram zählt. Entworfen wurde es von David und John Jardine, die selbst in den 1860er-Jahren von Schottland in die USA ausgewandert waren. Wie viele andere von den Gebrüdern geplante Bauten zeichnet sich auch das 11.000 Quadratmeter große Eckgebäude, das sowohl als 28 Howard Street als auch als 1 Crosby Street bekannt ist, durch seine gusseiserene Neo-Grec-Vollfassaden aus. Es steht damit ikonisch für die tiefgreifenden Veränderung SoHos, das sich von einer ärmlichen Wohngegend in jenes pulsierende Geschäftsviertel verwandelte, das wir heute kennen.
Ästhetik schlägt Rendite
Fast ein Jahrhundert lang befand sich 1 Crosby Street im Besitz der Harry Spitzer Inc., bevor es 2021 für 24 Millionen US-Dollar an Land Finance ging. Peter Weisman von Sinvin Real Estate, der die Käufer vertrat, berichtete nach dem Erwerb, dass die Investment-Gruppe sich vor allem aufgrund seiner Ästhetik für das Objekt entschied. Kein Wunder: „Dieses Gebäude ist fast wie ein Kunstwerk“, schwärmte Weisman. „Man sagt zwar, dass man sich nicht in Immobilien verlieben soll. Aber es ist schwer, es nicht zu tun, wenn es sich um etwas so Großartiges handelt.“
Man sagt zwar, dass man sich nicht in Immobilien verlieben soll. Aber es ist schwer, es nicht zu tun, wenn es sich um etwas so Großartiges handelt.
Peter Weisman, Sivin Real Estate
Die Mieter und die Rendite waren also nebensächlich. Wobei das Gebäude sicherlich einiges abwirft. Zwar steht die oberste Etage nach wie vor leer. Doch im Erd- und einem Teil des Untergeschosses hat sich das Luxusmodehaus Maison Margiela angesiedelt. Das Unternehmen Lanserring, das Küchen, Schränke und Lifestyle-Produkte nach Maß herstellt, hat einen Ausstellungsraum im dritten Stock. Und auf der zweiten und vierten Etage ist Juniper Design zu finden, die exklusive Leuchtsysteme herstellen und vertreiben.
Aufgestockt: Aus eins mach zwei
Während man den Juniper-Design-Showroom im zweiten Geschoss bereits 2019 eröffnete – ein wahrer Interior-Lichtblick, für den die Planer von Asthetique mehrfach ausgezeichnet wurden –, entstand der Plan der Beleuchtungsfirma, auch das vierte Stockwerk zu nutzen, erst während der Pandemie. 2021 trat das Unternehmen aus Conneticut an MQ Architecture heran. Der Auftrag an war klar, aber nicht einfach: Die Architekten sollten einen flexiblen und hochgradig kollaborativen Juniper Workspace entwerfen.
Zum einen wünschte man sich Räume, die „die technischen Aspekte unserer Leucht-Systeme und Dienstleistungen präsentieren und genug Fläche bieten, um die Produkt-Elemente vollständig auszustellen“. Zum anderen standen eine voll funktionsfähige Küche, ein Bad mit Dusche, ein Smart-Produkt-Lager, sechs offene Arbeitsplätze, ein Raum für ungestörte Telefonate sowie ein Konferenzzimmer auf der Anforderungsliste.
Das Designer-Team Miguel Quismondo und Juan Carlos Bragado und die Architekten Jacobo Mingorance und Ignacio De Siloniz hatten also einiges unterzubringen auf den nur knapp 140 Quadratmetern des Juniper Workspace. „Gleichzeitig galt es, auch der Geschichte des altehrwürdigen Gebäudes gerecht zu werden, insbesondere seinen ikonischen Architektur-Elementen“, erklärt Jacobo Mingorance. Eine Herausforderung. Doch der Spagat zwischen „Wenig Platz, viel Erbe und noch mehr Wünschen“ gelang perfekt.
Juniper Workspace: ein Schmuckkästchen
Besonders schön zeigt sich dies bei den „Juniper Vignettes“: Die Produktauslagen in den Holzwänden treten mit ihrer Formensprache in einen direkten Dialog mit der gusseisernen Fassade des Gebäudes. Der Rhythmus, die Kurven und die Geometrie der vertieften Fenster und der geschwungenen Stürze finden sich in der Gestaltung der Präsentationsflächen wieder. In ihnen werden die Beleuchtungsprodukte sorgfältig wie zarte Schmuckstücke präsentiert. Und die Kundinnen und Kunden können nicht nur das schöne Design bewundern, sie bekommen auch die technischen Eigenschaften der Leuchten vermittelt. Das Luxuslicht steht im perfekten Rampenlicht.
Zum Schmuckkästchen-Eindruck trägt auch die Decke des Juniper Workspace bei. Sie ist vollständig mit dunklen, geprägten Zinnplatten verkleidet. Diese aus Wellblech gefertigten „Kacheln“ waren einst weit verbreitet in der Stadt und kamen auch 1872 beim Bau des Gebäudes zum Einsatz – als erschwingliche Alternative zu den luxuriösen europäischen Stuckdecken. „Leider verschwanden sie fast während des Zweiten Weltkriegs, als das Metall knapp wurde“, erzählt Juan Carlos Bragado. Für die Architekten war daher klar, dass sie dieses Kulturerbe der Stadt schützen müssen. Folglich ließen sie die Decken restaurieren, um den Charakter des Materials wiederherzustellen und die Erinnerung an seine glorreiche Zeit zu würdigen.
Zinn trifft auf Holz
Die alten massive Hartholzböden blieben ebenfalls erhalten. Trotz des nicht perfekten Zustands – mit den Jahren kamen Kratzer, Flecken und Farbunterschiede – beschloss das MQ-Architecture-Team, die Planken nicht herauszureißen. Stattdessen darf das Holz jetzt die Spuren von über 150 Jahren Geschichte zeigen. Man besserte den Boden lediglich an manchen Stellen aus und versiegelte ihn anschließend, was perfekt zur gewünschten Ästhetik des Juniper Workspaces passt. Ansonsten griff man beim Interior-Design die Farben der Marke auf: Das helle Eichenholz der Einbauten trifft nun auf schwarze, quadratische Keramikfliesen und goldene Akzentdetails.
Blieb noch die Herausforderung, den Juniper Workspace für die gewünschten weiteren Nutzungszwecke auszugestalten. Die Nassräume und die Küche fasste man auf der Nordseite der Etage zusammeng. Sie sind effizient gestaltet und nehmen nur wenig Platz ein. „Die Mitte des großen Ausstellungsraums hielten wir bewusst frei. Hier können künftig Veranstaltungen oder Produktpräsentationen stattfinden“, erklären die Architekten. Ein strategisch platzierter Spiegel verdoppelt die Länge der Wand optisch und streckt so den Raum. Gleichzeitig trennt er – in eine Glasschiebetür übergehend – den Konferenz- vom Ausstellungsraum ab. Unter den Fenstern der Westfassade verläuft ein durchgehender Schreibtisch mit sechs Arbeitsplätzen und Blick auf SoHo.
Flexibel sein, mobil bleiben
Um den Platz optimal auszuschöpfen, lassen alle Räume auch eine flexible Mehrfachnutzung zu. So kann der Video-Konferenzraum bei Bedarf zum Schlafzimmer werden, wenn der Arbeitstag mal länger dauert. Die Telefonzelle dient gleichzeitig als Vorraum für die Heizungsanlage. Und die Kochnische firmiert zusätzlich als informelles Esszimmer.
Die Beleuchtungsprodukte des Unternehmens werden in den Vignetten an der Ostwand nicht nur ausgestellt, sondern auch dahinter verborgen gelagert. Und wenn für größere Kundenpräsentationen noch zusätzliche Ausstellungsfläche gebraucht wird, können die Arbeitsplätze am Hot Desk dafür genutzt werden. Oder aber die beiden Produktwägen, die MQ Architecture im Rahmen des Auftrags auch noch entworfen hat. Dank der neuen Bodensteckdosen können sie im Raum genutzt werden, um Kunden Leuchten außerhalb der Vignetten vorzuführen. Werden die Wägen mal nicht im Juniper Workspace gebraucht, kommen sie im Showroom oder auf Messen zum Einsatz.
Für Juniper Design war die Zusammenarbeit mit MQ Architecture ein Glücksgriff. Denn die Mission des Unternehmens teilt das preisgekröntes Architekturbüro mit Sitz in New York uneingeschränkt. Sie lautet: „Ehrlichkeit im Design findet sich in den Details“.
The Guilded Age, eine Renaissance?
Im Stadtviertel SoHo, wo sich Planer mit immer bunteren und lauteren Shop- und Showroom-Entwürfen ein Wettrennen liefern – man denke etwa an den als „Spielplatz“ kreierten Pop-up-Store des Fitness-Unternehmens Bala –, tut diese Ehrlichkeit und Besinnung auf Details in jedem Fall gut.
Ehrlichkeit im Design findet sich in den Details.
Firmen-Mission von Juniper Design
Vielleicht läutet der Juniper Workspace ja ein neues „Guilded Age“ ein, in dem der altehrwürdigen Architektur und der Geschichte des Viertels beim Interior Design wieder mehr Respekt gezollt wird. Und das nicht nur an der Ecke Crosby und Howard Street.
Text: Daniela Schuster Bilder: Imagen Subliminal
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