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Die perfekte Welle?

Kopiert bis hin zur Kirchturmspitze: Dass Hallstatt im Salzkammergut seit 2012 einen Klon in der chinesischen Provinz Guangdong hat, ist inzwischen bekannt. Dass das Reich der Mitte aber auch sein eigenes Hawaii besitzt, wissen nur Wenige. In letzterem Falle sind Stolz auf oder auch Empörung über den Zwilling allerdings unangebracht. Denn anders als beim idyllischen Alpendorf hatten beim Hawaii Chinas nicht etwa Kopisten ihre Finger im Spiel, sondern höhere Mächte. Und die nutzten ganz sicher kein Reißbrett, als sie an der Südspitze der Insel Hainan endlose weiße Sandstrände, üppige Bergwälder und ein tropisches Klima schufen.

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Mekka für Architekturfans

Bei Touristinnen und Touristen aus der Volksrepublik ist das Paradies kaum weniger beliebt als das US-Pendant bei westlichen Reisenden. Jedes Jahr kommen rund 18 Millionen Besucher allein nach Sanya, die Metropole der Region. Tendenz steigend.

Der Boom ist jedoch nicht nur auf das Hawaii-Flair zurückzuführen. Längst gilt die Hafenstadt in der Sanya Yazhou Bay auch als Tor zum südchinesischen Meer, als Wissenschafts- und Technologie-City und vor allem als Mekka für Fans moderner Architektur. Vor wenigen Monaten ließ etwa das angesehene Büro Zaha Hadid Architects mit einem Entwurf für ein neues Kulturzentrum in Sanya aufhorchen. Und das Gebäude wird nicht das letzte sein, das die Silhouette der Stadt künftig bereichern soll.

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Das Meer im Mittelpunkt

Kürzlich hat zum Beispiel aoe, ein preisgekröntes Architekturbüro mit Sitz in Peking, sein Konzept für das Deep Sea Museum and Sports Center vorgestellt. Auf den ersten Blick eine wilde Mischung aus Kulturhotspot und Fitnesstempel. Auf den zweiten stimmig. Denn beide Gebäude, die auf zwei Grundstücken mit insgesamt rund 104.000 Quadratmetern Fläche errichtet werden sollen, stellen das nahe Meer in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten. Und dabei geht es um mehr als nur ums Freizeitvergnügungen von Touristen. „Das Deep Sea Museum and Sports Center will durch Aufklärung auch zum Umweltschutz beitragen“, heißt es von Seiten der Planer.

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Staunen und Sporteln

Die Idee: Das Deep Sea Museum soll sich dem Leben im Meer widmen, der Erforschung der Ozeane und der Frage, wie der Mensch dazu beitragen kann, sie vor Verschmutzung und Überfischung zu schützen. Modernste Technologie und interaktive Exponate werden es den Besucherinnen und Besuchern ermöglichen, virtuell in die Tiefsee und ihre Unterwasserlebensräume einzutauchen. In Welten also, in die sonst nur U-Boote vordringen.

Das Sports Center wiederum wird mit Einrichtungen für alle Arten von Wassersport aufwarten. Pools mit einstellbarer Tiefe für Tauchtrainings oder Wasserballspiele sind geplant, daneben Tauchbecken mit Sprungbrettern und Plattformen sowie Surfbecken mit künstlichen Wellen. Und auch ein Kajakbereich und ein Beachvolleyballfeld laden Profi- wie Freizeitsportler ein, aktiv zu werden. So will man über den Sport ein Bewusstsein dafür schaffen, wie schützenswert Gewässer sind.

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Pulsierendes soziales Zentrum

Nach den vorgelegten Plänen sind Museum und Sport-Zentrum über eine Passage miteinander verbunden, die zum Shoppen und Genießen innerhalb des Gebäudekomplexes einlädt. „Diese Straße dient als pulsierendes soziales Zentrum“. Doch auch hier wurde nicht auf das Gesamtkonzept vergessen: „Der Einzelhandelsbereich wird in einer modernen Ästhetik gestaltet, die das ozeanische Thema des Gebäudes widerspiegelt“, so der leitende Architekt Qun Wen.

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Unter einem Dach

All diese Attraktionen und Erlebnisse wird das Deep Sea Museum and Sports Center wortwörtlich unter einem Dach vereinen. Und eben jenes Dach ist auch das Herzstück der Gebäudearchitektur, die darauf abzielt, eine nahtlose Verbindung zwischen Innen- und Außenbereichen zu schaffen. Abgestuft und – wie könnte es anders sein – wellenförmig angelegt, „dient das Dach nämlich gleichzeitig als Bürgerpark mit üppiger Begrünung“, so Qun Wen. „Es soll zu einem attraktiven öffentlichen Raum für die Besucher werden.“ Von der Aussichtsplattform auf der Dachterrasse genießt man künftig jedenfalls einen atemberaubenden Blick auf den Ozean. Ein Swimmingpool im Freien und Liegestühlen laden zusätzlich zum Entspannen ein.

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Wärmeinseleffekt vermeiden

Gleichzeitig trägt das begrünte Dach dazu bei, den städtischen Wärmeinseleffekt zu verringern, den Energieverbrauch zu senken und die Luftqualität zu verbessern. Gemeinsam mit der Regenwassernutzungsanlage und dem Grauwasser-Recycling-System könnte das Dach künftig außerdem dafür sorgen, den Wasserverbrauch zu reduzieren.

Da versteht es sich dann auch fast von selbst, dass nur energieeffiziente Materialien, erneuerbare Energiequellen und innovative Technologien zum Einsatz kommen sollen, wenn das Projekt von der Entwurfs- in die Bauphase geht. Für eine natürliche Belüftung im tropischen Klima der Bucht von Sanya Yazhou sorgen große Öffnungen in der Fassade sowie bedienbare Fenster und Jalousien, die je nach Wetterlage eingestellt werden können.

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Wirtschaftlich nachhaltig

Nachhaltigkeit beschränkt sich in der Entwurfsphilosophie von aoe aber nicht nur auf Ökologie. „Das Projekt zielt auch darauf ab, im Rahmen seines Plans zur wirtschaftlichen Nachhaltigkeit Beschäftigungsmöglichkeiten für Einheimische zu schaffen“, erklären die Planer. Während der Bauarbeiten sollen lokale Arbeitskräfte beschäftigt werden, für den laufenden Betrieb ebenso. Das Deep Sea Museum and Sports Center wird also Jobs in Sanya schaffen – für Rettungsschwimmer, Museumsführer, Wartungspersonal, Einzelhandelsmitarbeiter …

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Architecture of Events

Der Name des verantwortlichen Architekturbüros aoe steht übrigens für „architecture of events“. Er leitet sich von einem Zitat des amerikanischen Architekten Bernard Tschumi ab, der einst sagte, dass es „keine Architektur ohne Ereignis“ gebe. Für aoe ist dieses „Ereignis“ zugleich ein Ziel: „Unser Team möchte mit seinen Entwürfen das Lebensumfeld verbessern, indem es neue Technologien, Materialien, soziale Werte, Geschichte, Kunst und Kultur einbezieht“, betont Qun Wen.

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Vor diesem Hintergrund bleibt dann eigentlich nur noch zu hoffen, dass das fertige Gebäude ähnlich gut gefallen wird wie Hallstatt. Gegen eine Kopie des Deep Sea Museum and Sports Center wäre jedenfalls nichts einzuwenden. Im Gegenteil. Denn es setzt einen neuen Standard für nachhaltiges Gebäudedesign in China.

Text: Daniela Schuster Bilder/Renderings: aoe / v2com-newswire.com / Zaha Hadid Architects

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