"Finanzbildung ist der Schlüssel zu fundierten Entscheidungen"
Das Sparverhalten der Österreicher verändert sich in einer Zeit wirtschaftlicher Unsicherheiten zunehmend. Im Interview erläutert Gerda Holzinger-Burgstaller, CEO der Erste Bank Oesterreich, welche Trends die aktuelle Sparstudie der Erste Bank dabei sichtbar macht und wie sie die Rolle der Bank in der aktuellen Wendezeit sieht.
Die Erste Bank führt regelmäßig Sparstudien durch. Welche Trends und Veränderungen im Sparverhalten der Österreicher konnten Sie in der aktuellen Studie beobachten?
Gerda Holzinger-Burgstaller: Sparen ist und bleibt in Österreich ein wichtiges Thema für die große Mehrheit. Was wir aber schon sehen, ist, dass die letzten Jahre ihre Spuren hinterlassen haben. Laut heuriger Studie hat jede zweite Person aktuell Angst zu wenig zu sparen – obwohl die Sparquote laut WIFO-Prognose sogar deutlich steigt. Die letzten Jahre waren von negativen Nachrichten geprägt. Auch die wirtschaftliche Erholung im nächsten Jahr fällt nur spärlich aus. All das führt zu Unsicherheit und einem gewissen Pessimismus, der sich auch in den Studienergebnissen niederschlägt. Aus dieser Negativität können wir nur gemeinsam Schritt für Schritt wieder herauskommen!
Wie hat sich das durchschnittliche monatliche Sparvolumen der Österreicher im Vergleich zum Vorjahr entwickelt?
Laut unserer Sparstudie legen die Österreicherinnen und Österreicher heuer durchschnittlich 308 Euro pro Monat auf die Seite. Das entspricht in etwa dem Vorjahr, da waren es 307 Euro. Interessant ist, wenn man sich den Sparbetrag im Zehn-Jahres-Vergleich ansieht, dass er um 64 Prozent und nach Abzug der Inflation über diesen Zeitraum real um 28 Prozent gestiegen ist. In den letzten Jahren was es aufgrund der hohen Inflation ein umgekehrtes Bild. In Kombination mit der aktuellen Stimmungslage führt das dazu, dass die Zufriedenheit mit der Höhe der Sparsumme stark rückläufig ist.
Welche Rolle spielt die anhaltende Inflation beim Sparverhalten der Österreicher?
Wir sprechen seit vielen Jahren über die negative Realverzinsung am Sparkonto. Die war ja auch schon vor der hohen Inflation aufgrund des Nullzinsumfelds jahrelang negativ, natürlich in einem ganz anderen Ausmaß. Die Entwicklung in den letzten beiden Jahren hat dies vielen vor Augen geführt und die Menschen haben mitbekommen, wie Einlagen an Wert verloren haben. Das hat dazu geführt, dass viele begonnen haben sich aktiv mit alternativen Anlageformen zu beschäftigen.
Welche Sparformen erweisen sich laut der Studie als besonders beliebt? Gibt es hier Veränderungen im Vergleich zu früheren Jahren?
Inflation hin oder her, das Sparkonto ist wenig überraschend immer noch die Nummer eins bei den gewohnt sicherheitsbedachten Österreicherinnen und Österreichern. Und das ist gut so, denn das Sparkonto ist die Basis in der Veranlagung. Aber die aktuelle Sparstudie zeigt, dass alternative Veranlagungsformen wie Vorsorgeprodukte, Wertpapiere oder Gold in der Gunst der Österreicherinnen und Österreichern steigen. Insbesondere die junge Generation hat das Thema für sich entdeckt.
Sie haben es angesprochen – wie legt die junge Generation heute an?
Sie sind da deutlich aufgeschlossener, das sehen wir in der Studie. Im Vergleich zu den älteren Altersgruppen nutzen deutlich mehr Junge Wertpapiere in der Veranlagung. Natürlich geht es da bei vielen um die ersten Schritte und die Summen sind überschaubar. Aber es das ist essenziell, sich dem Thema ideologiefrei und offen zu nähern. Das ist bisher oft nicht passiert. Was wir auch sehen, ist, dass die jungen Menschen auf eine andere Art und Weise sparen, als das früher der Fall war, wo das Geld einfach auf das Sparkonto gelegt wurde. Den Jungen ist durchaus bewusst, dass man in der Geldanlage aktiv sein und sich breit aufstellen sollte.
Wie ist es um die Finanzbildung der Österreicher bestellt?
Ich denke, dass wir da Fortschritte machen und sich die zahlreichen Initiativen, aus Politik, Wirtschaft und Bildung bezahlt machen. Das unterstreicht auch die kürzliche OECD-Studie, die uns auf Platz zwei beim Thema Finanzbildung in Europa sieht. Aber: Wir sind am Beginn des Weges, es gibt immer noch viel zu tun, wie die Sparstudie zeigt, wo sich nur zwei von zehn gutes Finanzwissen attestieren. Gerade zwischen den Geschlechtern gibt es da teilweise noch eklatante Unterschiede. Unsere Aufgabe ist es, Finanzwissen interessant, modern und zielgruppengerecht aufzubereiten. Mit vielen Projekten wie beispielsweise mit dem Financial Health Prototype, unserem KI-Chatbot, der finanzielles Wissen aus über 200 Jahren bündelt oder she invests, einer Webinar- und Veranstaltungsserie speziell für Frauen, gelingt uns das laut dem Feedback, das wir bekommen, sehr gut.
Wie kann die Erste Bank dazu beitragen, das Verständnis für Kapitalmarktinstrumente zu verbessern?
Etwas für seine finanzielle Bildung zu tun, ist individuell natürlich ein wichtiger Schritt, um fundierte Entscheidungen im Umgang mit seinen Finanzen zu treffen. Gleichzeitig sind wir gefordert, Produkte zu schaffen, die einfach zu verstehen, transparent und auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Die Geldanlage ist ein sehr facettenreiches Thema, wo die Beratung und Wissensvermittlung sehr individuell auf Alter, derzeitige Kenntnisse und Erfahrungen, aber auch im Hinblick auf die Erwartungen an Risiko sowie Rendite zugeschnitten sein sollte. Ich bin überzeugt, dass wir mit unseren neuen Depot-Modellen ein sehr gutes Angebot geschaffen haben, um eben auf diese unterschiedlichen Bedürfnisse einzugehen.
Sie haben das Thema KI angesprochen, welche Schritte setzt die Erste in diesem Bereich und wie schätzen sie ihren Einfluss auf die Finanzbranche ein?
KI ist ein Zukunftsthema und wird natürlich auch im Finanzbereich eine immer größere Rolle spielen und die Bankenbranche verändern. KI wird das Wie verändern, aber nicht unser Warum, unseren Zweck, für die finanzielle Gesundheit und Wohlstand der Menschen zuständig zu sein. Wir müssen uns anpassen und weiterentwickeln, den digitalen Wandel als Chance nutzen, um Zukunft zu verwirklichen. Wir werden die KI nutzen, um mehr Zeit für unsere Kundinnen und Kunden zu haben und jedem Finanzbildung und Beratung ins Wohnzimmer zu bringen. Bei einem so individuellen Thema, wie der Geldanlage, wird es immer die persönliche Beratung brauchen. Wir waren immer eine Beratungsbank und werden das auch bleiben.