Lage der Baubranche nach dem Lockdown
Das Coronavirus stellt die Wiener Bauwirtschaft dennoch vor große Herausforderungen. Mit der Wiederaufnahme der Bauverhandlungen sowie der Ausarbeitung des Bau-Marshallplans und der BAUaktiv-Pakete wurden bundesweit erste Schritte in Richtung Zukunft gesetzt.
Der Bausektor konnte bereits zwei Wochen nach dem „harten Lockdown“ der Regierung unter Einhaltungen strenger Sicherheitsrichtlinien die Bautätigkeit wieder aufnehmen. Die Einigung auf einen 8-Punkte-Schutzmaßnahmenplan der Sozialpartner beschleunigte die Wiederaufnahme der Baustellen. Um sicher durch die Krise zu manövrieren, braucht es aktuell aber eine effiziente Vorgehensweise bei den Bauverhandlungen und konkrete Konjunkturhilfen auf Bundes- und Landesebene. Die Bauwirtschaft war immer ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und Konjunkturmotor für Wien und das soll auch in Zukunft so bleiben.
Wir freuen uns über die Wiederaufnahme der Bauverhandlungen, denn ohne Genehmigungen steht die Baubranche still.
Innungsmeister der Landesinnung Bau Wien
Baubewilligungen
Die Bauverhandlungen wurden wieder aufgenommen, sind aber entsprechend der aktuellen COVID-19 Maßnahmen durchzuführen. Die Wiener Baubranche hat im Mai mit großer Erleichterung auf die Bemühungen der MA 37 (Baupolizei) zur Wiederaufnahme des Parteienverkehrs reagiert. Da, wie auch sonst im öffentlichen Raum, der vorgeschriebene Mindestabstand eingehalten werden muss, kann aber nur eine bestimmte Anzahl von Personen an einer Bauverhandlung teilnehmen. Die Räumlichkeiten der MA 37 sind für größere Verhandlungen nicht mehr geeignet. Eine einheitliche Lösung für alle Bauverfahren gibt es noch nicht. Als Standardverfahren wird derzeit die schriftliche Vorabinformation der Anrainer etabliert. Allen Betroffenen wird die Gelegenheit zur Planeinsicht und Erhebung von Einwänden gewährt. Die Bauverhandlung findet dann nur mit jenen Personen statt, die zulässige Einwendung erhoben haben. Außerdem gibt es die Möglichkeit, der Behörde Zustimmungserklärungen von Anrainern vorzulegen, wodurch eine Bauverhandlung gänzlich entfallen kann. DI Dr. Rainer Pawlick, Innungsmeister der Landesinnung Bau Wien: „Wir freuen uns über die Wiederaufnahme der Bauverhandlungen, denn ohne Genehmigungen steht die Baubranche still. Es wird sich herausstellen, ob das Prozedere, dass Bauwerber die Zustimmungserklärungen aller Anrainer vorab einholen, in der Praxis funktioniert. Wir hoffen, dass die Bemühungen ausreichen, um den entstandenen Rückstau bei den Bauverfahren zeitnahe zu bewältigen und das Wiener Baugewerbe nicht auf einen massiven Projektrückgang aufgrund verzögerter Baubewilligungen zusteuert.“
Wir als Wiener Bauinnung wünschen uns einen weiteren Schritt in Richtung Digitalisierung.
stv. Innungsmeister der Landesinnung Bau Wien
Digital umdenken
Das Coronavirus hat der Wirtschaft ihre Schwachstellen gezeigt: Wer digital bereits gut aufgestellt war, ist in der Krisenbewältigung nun effizienter. „Um die Folgeerscheinungen für die gesamte Baubranche zu minimieren und um die Mitarbeiter der MA 37 sowie die räumliche Infrastruktur der Behörde zu entlasten, ist es dringend notwendig, weitere Schritte in Richtung Vereinfachung des Bewilligungsprozesses zu setzen“, so Pawlick. Markus Neumayer, Stellvertretender Innungsmeister der Landesinnung Bau Wien: „Wir als Wiener Bauinnung wünschen uns einen weiteren Schritt in Richtung Digitalisierung. Etwa die Abhaltung von Bauverhandlungen mittels Videokonferenzen – vergleichbare Bestrebungen gibt es beispielsweise bereits beim Handelsgericht Wien. Digital verarbeitete Baupläne, um Online-Planeinsicht zu ermöglichen, diese über Videokonferenz oder auf Bildschirmen zu präsentieren, sollten heute als rechtssichere Quellen dienen können. Damit könnten Bauverfahren jederzeit behandelt werden.“ Ein zweite Corona-Welle und damit verbunden ein zweiter Lockdown ist vorstellbar. Ohne zukunftsorientierte Lösungen, steht die Baubranche dann vor dem gleichen Problem wie zuvor.
Zukunft sichern
Bauwirtschaft, Baugewerkschaft und die Umweltorganisation Global 2000 forderten am 13. Mai mehr öffentliche Gelder für die Bauwirtschaft. Mit einem umfassenden Bau-Marshallplan könnten durch die Coronavirus-Krise verlorene Jobs zurückgewonnen, die Wirtschaft angekurbelt und auch etwas für die Umwelt getan werden. Der aus Bundesmitteln dotierte Sanierungsscheck soll von derzeit 100 Mio. Euro jährlich auf mindestens 300 Mio. Euro aufgestockt werden. Damit soll nicht nur ein Weg aus der Krise gefunden, sondern auch die heimischen Klimaziele erreicht werden. Mit den BAUaktiv-Paketen soll die Sozial- und Wirtschaftskrise weiter bekämpft werden. Am 19. Mai stellten die Bausozialpartner im Rahmen einer Pressekonferenz fünf kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen-Pakete zur Ankurbelung der Baukonjunktur vor. Diese gliedern sich in: Vergabepraktiken für Öffentliche, Investitionspaket für Private, Förderpakete durch neun
Bundesländer, Infrastrukturpakete der öffentlichen Hand sowie Reglungen zur Reduzierung der Winterarbeitslosigkeit. Pawlick dazu: „Die Landesinnung Bau Wien begrüßt diese Stoßrichtung. Gerade für Wien als Großstadt mit ihrem hohen Wohn- und Infrastrukturbedarf ist klimaorientierter Wohnbau wichtig und notwendig. In Wien gibt es noch immer sehr viele Gebäude, die mit Öl und Gas heizen.“ Einen wichtigen Schritt zur Stärkung der lokalen Wirtschaft hat Wien bereits vor Ausbruch der Corona-Krise mit dem „Wien Bonus“ gesetzt. Damit werden Wiener Betriebe bei öffentlichen Auftragsvergaben bevorzugt. Außerdem gibt es zusätzliche Förderungen bei thermischen Sanierungen und der Sockelsanierung. Das sind bereits wichtige Maßnahmen zur Belebung der Baukonjunktur. Hier will man weitermachen.
Aktuelle Brancheninformationen zu den bauvertraglichen Auswirkungen von COVID-19, arbeitsrechtliche Bestimmungen sowie Handlungsanleitungen für Baustellen gibt es unter: www.bau.or.at/coronavirus