Interview: „Wir sind quasi ein One-Stop-Shop“
Nicht nur niedrige Zinsen, sondern auch unsichere Zeiten lassen die Nachfrage nach Betongold steigen, weiß Markus Kaspar, Notar in Wien.
Die Immobilienbranche freut sich, dass Wohnimmobilien die mit der Pandemie verbundene Krise nicht nur unbeschadet überstanden, sondern sogar an Beliebtheit gewonnen haben. Können Sie das bestätigen?
Markus Kaspar: Immobilien, speziell Wohnimmobilien, sind tatsächlich nach wie vor beliebt. Aber auch Grundstücke werden gerne gekauft. Es hat in der Krise somit eine konstante Beauftragung mit Kaufverträgen gegeben. Besonders Wohnungen, die von Bauträgern verkauft werden, gehen gut.
Worauf führen Sie diese Beliebtheit von Betongold zurück?
Ich denke, das liegt besonders daran, dass Immobilien etwas Reales sind – eine Tatsache, die gerade in unsicheren Zeiten viele beruhigt. Darüber hinaus gewinnen Immobilien oft an Wert. Und nicht zuletzt sind sicher manchen in der Zeit von Lockdowns, Home Office, Home Schooling und Ausgangsbeschränkungen die Nachteile der aktuellen Wohnung aufgefallen, weshalb sie sich verändern wollten. Dazu kommt, dass die Zinsen nach wie vor niedrig sind, was Finanzierungen erleichtert.
Zahlreiche Unternehmen sind ja durch die Pandemie in wirtschaftliche Bedrängnis geraten. Haben diese sich deshalb vermehrt von Liegenschaften getrennt?
Das kann durchaus sein, ist mir persönlich aber nicht aufgefallen.
Fast alle Notariatsakte können seit April des Vorjahres digital erstellt werden. Wie wurde das von den Klienten angenommen?
Meiner Erfahrung nach ziehen die meisten – sofern dies möglich ist – den persönlichen Kontakt vor. Aber die digitale Lösung macht durchaus Sinn, etwa wenn eine der Parteien hunderte Kilometer entfernt wohnt. Dies ist häufig im Unternehmensbereich der Fall.
Wie funktioniert die digitale Erstellung eines Notariatsaktes?
Im ersten Schritt – also noch vor der digitalen notariellen Amtshandlung – wird die Identität des Klienten mithilfe eigener Verfahren festgestellt. Gleichzeitig werden Prüfungen hinsichtlich Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung durchgeführt.
Im zweiten Schritt wird der Vertrag erstellt und danach in einer Videokonferenz verlesen. Dabei werden auch letzte Fragen geklärt. Die Unterschrift erfolgt, indem der Klient unter Aufsicht des Notars seine qualifizierte elektronische Signatur am jeweiligen Dokument anbringt. Der Notar signiert dann die Urkunde mit seiner Beurkundungssignatur.
Wir betreuen umfassend die Liegenschaftstransaktion.
Kommt dabei nicht die Beratung zu kurz?
Nein. Die Klienten können sich ja nicht nur in Videokonferenzen, sondern auch telefonisch beraten lassen. Aber es ist schon so, dass das persönliche Gespräch Vorteile hat, weil die nonverbalen Signale besser wahrgenommen werden. Das heißt, ich sehe eher, wenn ein Klient beispielsweise die Stirn runzelt und kann gleich nachhaken, ob etwas unklar ist.
Wie wichtig ist die Beratung bei einem Immobilienkauf?
Extrem wichtig, weil zahlreiche Fallen lauern. Man nimmt ja für den Immobilienkauf schließlich eine Menge Geld in die Hand. Das Schöne ist, dass unsere Beratung gefragt ist: Wie unsere Immobilienstudie 2020 zeigt, legen 78 Prozent der Österreicher bei Immobiliengeschäften Wert auf eine kompetente Beratung. Nicht zuletzt wegen der Rechtssicherheit, ist doch 83 Prozent der Österreicher gerade bei Kauf, Verkauf oder Übergabe von Immobilien eine rechtlich einwandfreie Abwicklung sehr wichtig. Nicht zuletzt verringern wir die Wahrscheinlichkeit von Streit, was fast drei Vierteln der Befragten sehr wichtig ist.
Man sieht also eindeutig, dass Kauf, Verkauf und eine sonstige Übertragung von Immobilien doch auch stark mit Streit und Unannehmlichkeiten in Verbindung gebracht werden dürften.
Welche Fallen lauern denn beim Immobilienkauf?
Da gibt es verschiedene: Beim Blick ins Grundbuch sehen wir, ob Belastungen in Form von Hypotheken oder Dienstbarkeiten betreffend das Grundstück eingetragen sind. Zu hinterfragen ist aber auch, ob Nachbarn vielleicht schon seit Generationen über das Grundstück gehen und eventuell ein Wegerecht ersessen haben – obwohl kein Wegerecht im Grundbuch zu sehen ist. Aber eine Hauptaufgabe ist natürlich die Tätigkeit des Notars als Treuhänder. Eine Treuhandschaft dient der Absicherung der verschiedenen Interessen der Vertragsparteien und schützt die Beteiligten vor unliebsamen Überraschungen.
Sollten Unternehmer darüber hinaus noch andere Dinge beachten?
Definitiv. Es macht nämlich einen Unterschied, ob die Immobilie ins Betriebs- oder Privatvermögen fällt. Letzteres kann unter Umständen einige Vorteile, beispielsweise steuerlicher Natur, bringen. Auch das Erbrecht sollte berücksichtigt werden: Kauft eine GmbH zum Beispiel eine Immobilie und wird erstere später verkauft, kann die Immobilie nur dann vererbt werden, wenn sie herausgekauft wird. Das allerdings kann teuer werden.
Die Notare decken also ein breites Spektrum ab ...
Ja, wir sind quasi ein One-Stop-Shop. Das beginnt, wie erwähnt mit der Vorbereitung auf die Vertragserrichtung, geht weiter über die Errichtung des Vertrags und die Übernahme der Treuhandschaft bis zur Beglaubigung der Unterschriften. Ebenfalls zum Paket gehört die Abwicklung der Finanzamtserfordernisse, also entweder die Selbstberechnung von Grunderwerb- und Immobilienertragssteuer einschließlich der gerichtlichen Eintragungsgebühr oder die Übermittlung der Abgabeerklärung. Der letzte Schritt ist die Antragstellung für die Eintragung ins Grundbuch.
Kehren wir noch einmal zum Kaufvertrag zurück: Abgesehen von einigen Ausnahmen, wie zum Beispiel Kaufverträgen zwischen Ehegatten, herrscht dabei grundsätzlich Formfreiheit, also, jeder kann selbst den Kaufvertrag schreiben ...
Das stimmt. Doch im Sinne der Streitvermeidung und Rechtssicherheit ist es ratsam, auf Experten zurück zu greifen. Das gilt nicht nur für den Liegenschaftskaufvertrag, sondern auch für andere Verträge im Unternehmens- und Privatbereich.
Und bei Mietverträgen?
Bei diesen können wir ebenfalls für rechtskonforme Verträge sorgen. Das gilt beispielsweise für Befristungen. Weiters kümmern wir uns um die Vergebührung der Mietverträge, sofern es sich nicht um Wohnungen handelt. Bei diesen sind ja die Gebühren vor einigen Jahren abgeschafft worden.
Eine Information der ÖGIZIN GmbH