Sell in May and go away but remember to come back in September
„Sell in May and go away but remember to come back in September!“ Schließlich gibt es, so lautet die Weisheit der Börsianer, nach einer ereignisreichen Berichtssaison ab dem Monat Mai und in den Sommermonaten nur wenig Überraschungspotenzial. Im September, wenn das Jahr in die Zielgerade biegt, sollte man jedenfalls wieder zurück am Börsenparkett sein.
Ganz so einfach funktionieren Börsen natürlich nicht, auch wenn der Mai historisch tatsächlich zu den durchwachsenen und der September zu den glückseligen Monaten zählen. Aktuell scheinen Ausnahmen die Regel zu bestätigen. Im September des Vorjahres notierten Aktien weltweit am Tiefpunkt bei -25%, aus Sorge vor multiplen Krisen durch Krieg, Inflation, Zinswende und Rezession. Neun Monate später sind die Sorgenfalten dieselben und doch scheinen die Aktienmärkte auf einer Welle der Euphorie zu schwimmen, die selbst milliardenschwere Bankenpleiten nicht bremsen konnten. Aktienindizes notieren im heurigen Jahr weltweit zweistellig im Plus und der deutsche DAX Index erreichte ausgerechnet im Mai sein neues Allzeithoch.
Wie passt das zu Rezessionssorgen, unter Inflation ächzenden Konsumenten und unaufhörlich steigenden Zinsen? Unsere Antwort lautet schlicht „nicht wirklich“ und daher sollten etwaige Turbulenzen nicht verwundern. Die aktuelle Rally kam – wie so oft – unerwartet, die meisten Anleger waren zu Jahresbeginn vorsichtig positioniert. Mittlerweile sind sie auf den Zug aufgesprungen, aus Angst den Trend zu verpassen und es haben sich Bewertungsniveaus gebildet, die man auf Einzelsicht „überdurchschnittlich“ und mit Blick auf die multiplen Krisen durchaus „überschwänglich“ bezeichnen könnte. Und doch möchte ich nicht als Schwarzmaler schließen, auch wenn Krisen generell charmanter zu prognostizieren sind, denn selbst bei Irrtum, wird man sagen „zum Glück“. Nein, die Aktienmärte haben Kursgewinne durchaus verdient, schließlich zeigen aktuelle Bilanzen, dass die Unternehmen steigende Energie-, Lohn- und Kreditkosten bislang gut verkraften konnten. Diese Preismacht freut die Aktionäre, denn sie bewahrt und steigert sogar Gewinne, und wirkt doch auch kontraproduktiv, denn sie treibt das „Inflationskarussell“ steigender Preise und Löhne weiter an.
Lukas Feiner, MSc CFA CAIA, ist neben Mag. Bernhard Tollay der zweite Geschäftsführer der Metis Invest GmbH. Dort ist er für das gesamte Veranlagungsportfolio der Merkur Versicherung in Österreich und deren Tochterunternehmen in Kroatien und Slowenien mit insgesamt rd 3 Mrd. Euro verantwortlich.