Arbeitsplatz: „Ohne Team geht im Notariat nichts“
Krisensicher, stabil, abwechslungsreich und im Dienste von Individuum und Gesellschaft – so definiert der Tiroler Notar Oskar Platter die Tätigkeit in einem Notariat.
Die Arbeit in einem Notariat wird von Außenstehenden oft immer noch als wenig spannend angesehen – dabei ist doch das Gegenteil der Fall ...
Oskar Platter: Das stimmt. Wir Notare begleiten Menschen, falls gewünscht, bei allen wichtigen Lebensentscheidungen und in allen Lebensabschnitten – man könnte sagen, von der Wiege bis zur Bahre. Wir unterstützen bei der persönlichen Vorsorge, etwa mit einer Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung, genauso wie beim Verfassen eines Testaments oder der Abwicklung von Verlassenschaften als Gerichtskommissär wie beim Kauf von Immobilien, Unternehmensgründungen oder der Übergabe. Und natürlich auch bei Ehe- und Partnerverträgen.
Das heißt, im Notariat hat man mit den verschiedensten Rechtsbereichen zu tun?
So ist es: Der Bogen spannt sich vom Familien- über das Erbrecht bis zum Unternehmens- und Immobilienrecht.
Dabei geht es aber um weit mehr als um die Gestaltung von Verträgen?
Natürlich geht es nicht nur um die Verträge, ein großer Teil unserer Arbeit macht die Beratung im Vorfeld aus. Denn die Lösungen, die wir anbieten, sind in der Regel individuell.
Ein Indiz dafür, dass Österreichs Notariate alles andere als uncool sind, ist die Tatsache, dass sie als Vorreiter der Digitalisierung gelten ...
Absolut, und das europaweit. Seit über 20 Jahren werden sämtliche Akten und Urkunden im elektronischen Urkundenarchiv des österreichischen Notariats gespeichert. Auch im Rechtsverkehr mit der Justiz setzen wir seit langem auf digitale Anwendungen. Ein weiterer Meilenstein war die digitale GmbH-Gründung, damit waren wir die ersten in Europa. Die Erfahrungen damit haben es uns auch ermöglicht, gleich zu Beginn der Pandemie fast alle Amtshandlungen digital anzubieten. Mittlerweile können wir unsere Klienten analog, digital und hybrid betreuen.
Welche Vorteile hat die Arbeit in einem Notariat noch?
Da gibt es noch einige: Es gibt bei uns klare Strukturen, krisensichere Jobs, man kann selbstständig arbeiten – und der gesellschaftspolitische Stellenwert des Notariats ist zu Recht hoch. Dazu kommen ein leistungsgerechtes Gehalt, nach einigen Jahren die Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten, und natürlich ist auch Homeoffice im Notariat angekommen.
Wir bieten Mitarbeitern und Klienten Sicherheit und Stabilität.
Ich möchte bei der Teilzeit einhaken: Diese ist nicht gleich von Beginn an möglich?
Es hat sich gezeigt, dass dieses Modell bei Berufseinsteigern nicht funktioniert. Das hängt damit zusammen, dass es keine artverwandten Berufe gibt und man alles Erforderliche erst während der Tätigkeit erlernt. Bis man alles in einem Notariat gesehen hat, dauert es zwei bis drei Jahre. Würde man in dieser Einarbeitungsphase Teilzeit arbeiten, würde das die Lernphase noch mehr verlängern.
Der Arbeitskräftemangel ist in aller Munde – ist er im Notariat zu spüren?
Bei den Berufsanwärtern nicht, da gibt es viele Interessenten. Aber im Assistenzbereich merken wir ihn sehr wohl. Dabei ist diese Tätigkeit eine hoch spezialisierte, verantwortungsvolle und selbstständige Arbeit im Bereich Rechtsdienstleistungen – nur ohne Studium.
Wie steuern Sie in Ihrem eigenen Notariat dem Arbeitskräftemangel entgegen?
Abgesehen von flexiblen Arbeitszeiten, Teilzeit und Homeoffice haben wir seit Juli letzten Jahres eine Art Vier-Tage-Woche, wir nennen es „Vier-Tage-Woche-light“. Das heißt, wir haben zwar am Freitag Kanzleistunden, sind dafür aber geringer besetzt. Unsere Mitarbeiter müssen somit nur einen Freitag pro Monat arbeiten. Im Sinne der Work-Life-Harmonie ist es auch kein Problem, wenn Mitarbeiter drei Wochen am Stück auf Urlaub gehen wollen. Lang gedienten Mitarbeitern bieten wir auch E-Autos als Dienstautos an, aber das wird nicht besonders angenommen.
Wie sieht es mit Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten aus?
Wir bieten neben den Angeboten der Notarakademie auch interne Weiterbildungsmöglichkeiten, etwa im Bereich Kommunikation, sowie Coachings.
Welche Voraussetzungen sollten potenzielle Mitarbeiter – sei es Berufsanwärter, sei es Assistenz – mit- bringen?
Man hat ständig mit Menschen zu tun, daher sollte man diese auf alle Fälle mögen. Das erfordert weiters Empathie und Aufmerksamkeit – oft geht es darum, zwischen den Zeilen zu lesen. Weitere Grundvoraussetzungen sind Verschwiegenheit und Diskretion sowie Genauigkeit. Und natürlich sollte man digital affin sein – und lernbereit, da es laufend Änderungen im Recht gibt.
Sie sind seit 1999 in Notariaten tätig, seit zwölf Jahren in Ihrem eigenen. Haben sich in dieser Zeit Arbeit und Strukturen verändert?
Definitiv. Recht und Aufgaben sind komplexer geworden. Gleichzeitig befindet sich das Notariat in einer Metamorphose: Früher waren die Hierarchien streng, es gab nur den Notar. Jetzt gibt es einen Notar und sein Team. Ohne dieses geht im Notariat nichts mehr – Juristen kreieren zwar die Lösungen für die Klienten, umgesetzt werden sie aber durch die Assistenz. Das führt dazu, dass die Hierarchien immer flacher werden.
Eine letzte Frage: Ist ein Notariat ein zukunftsträchtiger Arbeitsplatz?
Unser Berufsstand ist in der derzeitigen Form mehr als 150 Jahre alt und ich bin überzeugt, es wird ihn auch weiter geben. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz werden zwar einiges verändern, sie werden aber die Empathie nicht ersetzen. Darüber hinaus werden das Recht und die Welt nicht einfacher – es wird angesichts der Komplexität mehr denn je Übersetzer und Berater brauchen. Und genau damit bieten wir sowohl Mitarbeitern als auch Klienten Sicherheit und Stabilität.