Chronik/Wien

Zentralfriedhof bei Nacht: Ein Rundgang zum Fürchten

„Warum Kaiser Joseph II die Friedhöfe im 18. Jahrhundert weit vor den Toren der Stadt ansiedeln ließ?“, fragt Gabi Saeidi in die Runde und der Lichtkegel ihrer Taschenlampe wandert über den nächtlichen Zentralfriedhof. „Zum einen wegen der berechtigten Sorge vor Seuchen. Ja, und dann“, fährt sie fort, „war da noch die Angst vor Wiedergängern.“ Damit meinte man kürzlich verstorbene Personen, die wieder aus ihrem Grab kamen, um das Blut der Lebenden zu saugen.

Kurze Stille.

„Am Zentralfriedhof hat es ein Bestatteter aber noch nie aus eigener Kraft wieder aus seinem Grab geschafft“, ergänzt Saeidi.

Erleichtertes Auflachen der Gruppe.

Dann geht es zur nächsten Station.

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Saedi, seit zwei Jahren staatlich geprüfte Fremdenführerin, geht voran, ihre große Taschenlampe leuchtet den Weg. Die Bäume ringsum heben sich pechschwarz vom Nachthimmel ab. Links und rechts flackern ab und zu rote Grablichter.

Dunkle Premiere

Nachts im Zentralfriedhof. Bis dato war das nicht möglich. Um 19 Uhr schließt das letzte Tor von Europas zweitgrößter Bestattungsstätte in den Sommermonaten, im Herbst sogar schon um 18 Uhr. Für eine neue Tour, die mit 31. Oktober offiziell startet, gibt es nun eine Ausnahme: „Eine Führung zum Fürchten“ heißt der Rundgang der 35-jährigen Saeidi, der künftig regelmäßig stattfinden wird, um 20 Uhr startet und zwei Stunden lang über den dunklen Zentralfriedhof führt. Dabei erzählt sie von der Entstehung des Friedhofs, von schaurigen Bestattungsmodalitäten und modernen Grabräubern.

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„Wir waren sofort begeistert, als uns Frau Saeidi den Vorschlag unterbreitet hat“, sagt Renate Niklas, Geschäftsführerin der Friedhöfe Wien, die die Presseführung Donnerstagabend begleitet. Es sei schließlich ihr Ziel, das Interesse an den Friedhöfen zu wecken und die Erinnerungskultur in die Köpfe der Wiener zu bringen.

Apropos Köpfe. Das sei manchmal das Einzige, das von Menschen beigesetzt wurde. Etwa von Luigi Lucheni, dem Mörder von Kaiserin Elisabeth. Man wollte nach seinem Tod feststellen, ob eine Anomalie des Hirns vorlag und untersuchte den Kopf ausgiebig. Wie hätte er als Gesunder die Kaiserin töten können?

Und weiter geht’s, vorbei am russischen Soldatendenkmal, an der Karl-Borromäus-Kirche, die im Mondlicht noch einmal imposanter wirkt als untertags, weiter zu den Ehrengräbern.

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Es wird dabei immer finsterer, aber es liegt eine friedliche, fast angenehme Stimmung über dem Areal. Manchmal beginnen Vögel in den Baumkronen zu flattern. Da reißt es einen kurz.

„Wenn, gibt es Gespenster aber am ehesten im alten jüdischen Friedhof“, erzählt Saeidi. „Dort wollen Friedhofsmitarbeiter einmal eine weiße Gestalt gesehen haben, die von einer anderen Gestalt mit schwarzem Umhang verfolgt wurde. Aber man soll nicht alles glauben, was man hört. Mitunter handelt es sich um Filmstudenten, die hier illegal Dreharbeiten abhalten.“ Sie grinst.

Für alle, denen die Nachtführung zu gruselig sein sollte, wird es im Frühling übrigens eine weitere Tour geben. Sie wird über drei Döblinger Friedhöfe führen, den Titel „Es wird ein Wein sein, und wir wern nimmer sein“ tragen und – natürlich – bei einem Heurigen enden.

Informationen

Zu den Touren von Gabi Saeidi gibt es hier.

Zu den Friedhöfen Wien gibt es hier.