Wohnungsvergabe neu: Wiener SPÖ trotzt Kritikern
Von Michael Jäger
Wiens SPÖ-Wohnbaustadtrat Michael Ludwig galt in den vergangenen Jahren als unaufgeregter Sachpolitiker. Doch im ruppiger werdenden Wiener Wahlkampf zeigt sich der Sozialdemokrat aus Floridsdorf von ungewohnt deutlicher Seite.
Nicht einmal ein halbes Jahr vor den Gemeinderatswahlen zauberte er neue Kriterien bei der Wohnungsvergabe aus dem Hut. Die wurden im Eilzugstempo eingeführt. Bereits ein Monat später zog Ludwig diese Woche eine erste, zufriedene Zwischenbilanz.
"Das generelle Feedback ist durch die Bank positiv", sagte Ludwig. Allein im Juli haben sich 7000 bei der neuen Wiener Wohnberatung der Stadt Informationen abgeholt. Ebenfalls in diesem Monat wurden bereits 2863 Wiener Wohn-Tickets ausgestellt. Tickets, die zugleich die Eintrittskarte zur deutlich kostengünstigeren Wohnung in Wien bedeuten.
Wien-Bekenntnis
Das ist natürlich noch nichts Ungewöhnliches, hatten sich auch in der Vergangenheit jedes Jahr Zehntausende bei der Stadt wegen einer kostengünstigen Wohnung erkundigt. Immerhin vergibt das Ressort von Stadtrat Ludwig jährlich 16.000.
Aber seit 1. Juli gelten neue Vergabekriterien. Wer zu einer günstigen Wohnung aus dem Stadt-Wien-Kontingent kommen will, der muss zumindest einen zweijährigen Hauptwohnsitz an der Einreichadresse vorweisen können. Bei der Vergabe wird zudem nur mehr die Kernfamilie (Vater, Mutter, Kind) berücksichtigt. Und wer schon länger in Wien lebt, erhält einen Bonus. Die Wartezeit kann sich um bis zu neun Monate reduzieren.
Die neuen Zuzügler in der Stadt haben damit einen klaren Nachteil. Ihnen bleiben nur die teureren Wohnungen am freien Markt oder Objekte, die Genossenschaften direkt vergeben können.
Das ist politisch so gewollt. Ludwig: "Menschen, die schon lange hier leben, sollen merken, dass sie uns besonders wichtig sind. Das ist wie im Supermarkt, da muss man sich auch hinten anstellen."
Manche schaffen es nicht einmal auf die Warteliste. Im ersten Monat der neuen Kriterien wurden 334 Wohnungsinteressenten abgelehnt.
Der SPÖ-Politiker sieht sich auf dem richtigen Weg. Ludwig präsentierte diese Woche eine Erhebung der Wiener Wohnbauforschung. Der Bonus für Ur-Wiener sei nur von 13 Prozent der Befragten (1400) abgelehnt worden. Lediglich der neue Passus zur Kernfamilie fand eine geringere Zustimmung (60 Prozent positiv). Denn viele Zuwandererfamilien haben an ihren Adressen nicht nur Vater, Mutter und Kind(er) angemeldet.
Wahlkampf
Die neuen Kriterien passen sehr gut zum SPÖ-Wahlkampf. Der Wiener Wohnbau wird jetzt als rote Kernkompetenz beworben. Denn keine Stadt Europas hat mehr Sozialwohnungen. Und abseits der Wiener SPÖ hat hier keine Wiener Partei etwas zu plaudern.
Nicht verwunderlich ist, dass jetzt sowohl Opposition wie auch der Grüne Regierungspartner im Wahlkampf versuchen, mit neuen wie alten Vorschlägen diese Domäne der SPÖ zu brechen.
Da ist von der Vergabe von Gemeindewohnungen nur noch an sozial Bedürftige wie vom Gehaltscheck für Gemeindebaumieter die Rede. All diese Forderungen lehnt Ludwig rundum ab. Ihm und seiner Partei ist klar: Fällt die soziale Durchmischung im Gemeindebau, würde das Interesse der Wiener an der "roten" Wohnpolitik schlagartig nachlassen. Was einem Machtverlust gleichkommt.
Der Wohnbau wird auch nach der Wahl ein politisch heißes Eisen bleiben. Jedes Jahr ziehen 30.000 neu in die Stadt. Ein Zuzug, den Ludwig bereits jetzt als "die größte Herausforderung für Wien" bezeichnet. Und natürlich braucht es hier mehr als nur neue Wohnungen.