Wiener Wirtschaftskammerchef Ruck stellt Taxi-Tarif infrage
KURIER: Korrigieren Sie mich, falls ich falsch liege, aber: Als Wirtschaftstreibender vertrauen Sie doch sicher darauf, dass sich der freie Markt erfolgreich selbst regelt.
Walter Ruck: Ja, das tue ich.
Wie erklären Sie dann, dass ausgerechnet die Taxi-Branche Hilfe vom Gesetzgeber braucht, um sich ihres Konkurrenten Uber zu entledigen?
Darum geht es nicht. Was wir wollen, ist ein fairer Wettbewerb. Und dafür müssen alle Dienstleister – in diesem Fall Taxis und andere Fahrdienstleister – nach denselben Regeln agieren.
Das heißt freilich nicht automatisch, dass die bestehenden Regeln das Gelbe vom Ei sind. Wir dürfen uns den Weiterentwicklungen nicht verschließen. Und wir wollen auch nicht die Vergangenheit einfrieren. In puncto Qualität haben wir bei vielen Taxis durchaus Aufholbedarf. Das wissen wir, das weiß auch die Branche.
Sie verstehen aber, dass es für viele Konsumenten so wirkt, als würden Sie nur Bestehendes konservieren wollen?
Ja, das verstehe ich. Hier müssen wir unsere Position noch besser erklären. Für uns als Wirtschaftskammer ist unbestritten, dass die Wirtschaft dafür da ist, die Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen.
Es ist sicher nicht das Bedürfnis der Kunden, den hohen Taxi-Tarif zu zahlen. Warum haben Sie nicht dafür lobbyiert, dass die Preisbindung für alle fällt?
Historisch war die Tarifierung wichtig. Man wollte den Wienern die Möglichkeit bieten, mit dem Taxi sicher von A nach B zu kommen, ohne nachher beim Preis böse Überraschungen zu erleben. Seit damals hat sich einiges geändert.
Daher ist die Frage berechtigt, ob wir den Tarif in dieser Form noch benötigen. Ich bin mir selbst nicht sicher, ob die bestehende Tarifbindung sinnvoll und notwendig ist.
Wie könnte eine andere, zeitgemäße Regelung aussehen?
Ich mag keine Schwarz-Weiß-Malerei. Die Frage, ob wir einen Taxi-Tarif brauchen, ist keine Ja-Nein-Frage. Wir sollten stattdessen über verschiedene Modelle nachdenken. Etwa eine Tarifbindung nur an bestimmten Tagen, um Konsumenten zu schützen.
Zu Silvester oder zu Weihnachten zum Beispiel, wenn die Nachfrage besonders hoch ist. Wir wissen, dass bekannte Fahrdienstleister zu diesen Zeiten gerne die Preise in die Höhe treiben. Eine andere Idee: Keine fixe Tarifierung, sondern eine Deckelung des Preises.
Diese Debatte ließe sich auf andere Wirtschaftsbereiche ausdehnen – Stichwort Airbnb.
Völlig korrekt. Auch hier gilt: Zuerst müssen wir dafür sorgen, dass gleiche Regeln für alle gelten. Und dann müssen wir uns ansehen, ob wir bestehende Regulative nicht zurücknehmen können.
Ihre Vorschläge wirken moderner als das, was man vonseiten Ihrer Mitglieder hört. Ich denke an Begegnungszonen oder an Radwege – da sind die Betriebe meist die Blockierer.
Es ist klar, dass bei 140.000 Wirtschaftstreibenden manche etwas schneller in die Zukunft marschieren – und andere etwas langsamer. Das hängt auch immer vom Thema ab.
Ich denke, dass wir etwa bei den Begegnungszonen in den vergangenen Jahren viel dazugelernt haben. Damals, bei der Mariahilfer Straße, ist seitens der Stadtregierung sicher nicht alles gut gelaufen, und unsere Proteste waren berechtigt. Heute laufen die Dinge friktionsfreier.
Auch beim Projekt Neubaugasse haben Wirtschaftstreibende in der Vorwoche Ängste geäußert.
Wir als Wirtschaftskammer müssen lernen, dass unsere Warnungen niemals angstvoll sein dürfen. Wir dürfen nicht den Teufel an die Wand malen, sondern müssen faktenbasiert argumentieren.
Ein Beispiel: Wir erheben derzeit die Besucherströme in der Stadt. Gemeinsam mit A1 schauen wir uns an, wie sich die Menschen in der Stadt bewegen. Das erheben wir – natürlich komplett anonymisiert – über die SIM-Karten. Die Daten können uns helfen, in Debatten über Demo-Zonen oder Sonntagsöffnung faktenbasiert zu argumentieren.
Wie sehen Sie das Rauchverbot in der Gastronomie?
Die Unternehmer brauchen Rechtssicherheit. Der politische Zick-Zack-Kurs ist wirtschaftsfeindlich. Dass Rauchen schädlich ist und zu
hohen volkswirtschaftlichen Kosten führt, darüber brauchen wir jetzt nicht diskutieren, oder?
Nein, aber über Politik: Wie sehr haben die politischen Ereignisse der vergangenen Wochen dem Ansehen Österreichs international geschadet?
Ich erzähle dazu eine Geschichte: Ich war im Ausland, als die Bundesregierung beschlossen hat, den UNO-Migrationspakt nicht zu unterschreiben. Da habe ich Stirnrunzeln und Verständnislosigkeit erlebt.
Ich denke, dieses Stirnrunzeln gibt es auch jetzt. Das ist für den Wirtschaftsstandort Wien nicht gut. Wer 6 von 10 Euro im Ausland verdient, sollte sich gut überlegen, wie er dort wahrgenommen werden will.
Sie haben Türkis-Blau immer wieder kritisiert. Etwa als die Koalition Asylwerbern den Zug zur Lehre in Mangelberufen verwehrt hat. Sind Sie froh, dass die Koalition Vergangenheit ist?
Das war nach diesem Video wohl alternativlos. Aber Türkis-Blau ist es zumindest gelungen, den gefühlten Stillstand in diesem Land zu überwinden. Die genannte Maßnahme haben viele Experten kritisiert, nicht nur ich. Ich war vielleicht lauter und deutlicher. Ich würde die Kritik jederzeit wiederholen.