Wiener Rotlicht: Seriöse Geschäftsmänner statt Strizzis
3560 Prostituierte sind (mit Stand Juni) derzeit in Wien angemeldet. Ein absoluter Rekordwert. Man sollte also glauben, dass das Geschäft mit der Liebe boomt wie niemals zuvor.
Gewalt ist kaum mehr ein Thema. Ein Messerstich ist in den vergangenen eineinhalb Jahren im Rotlicht polizeilich dokumentiert. Der Grund dafür liegt rund um das Jahr 2011. Prozesse rund um die Capos, den berüchtigten "Nokia-Club" deuteten daraufhin, dass ein Machtvakuum entstehen könnte. Doch mittels eines strengen Prostitutionsgesetzes wurde verhindert, dass erneut dunkle Gesellen die Macht im Sex-Geschäft übernehmen. Seither muss jeder Betrieb strenge bauliche Auflagen erfüllen. Rund 100 Betriebe sperrten mehr oder weniger freiwillig zu beziehungsweise erst gar nicht auf. Zur Verdeutlichung: In Wien gibt es insgesamt 320 Rotlichtetablissments (mit 1200 Zimmern).
Unternehmer statt Zuhälter
"Die haben das Vakuum gut genutzt. Der typische Strizzi will rasch Geld verdienen", sagt Langer. Heute benötigt man aber etwa drei bis vier Monate, um alle gesetzlichen Auflagen zu erfüllen, bestätigt einer der Hintermänner (siehe Interview). Wer nicht lange im Voraus plant, hat in dieser Branche keine Zukunft mehr. In den vergangenen Jahren konnte das Rotlicht so in geordnete Bahnen gelenkt werden. Für die Frauen selber wurde es allerdings nur teilweise besser. Weniger Gewalt gegen sie, aber auch weniger Einnahmen sind deren Bilanz. "Manche wissen nicht einmal, was sie morgen essen sollen", sagt Langer.
Einst hatten in der Wiener Halbwelt schillernde Persönlichkeiten wie der „rote Heinzi“ oder Richard Steiner das Sagen. Heute gilt ein 61-Jähriger als einer der Größ(t)en im Rotlicht. Dem KURIER gab der Mann im Hintergrund erstmals ein Interview, will aber nur mit seinen Initialen G. W. aufscheinen.
KURIER: Sie gelten als einer der wichtigsten Männer im Rotlicht. Wie viele Lokale gehören Ihnen?
G.W.: Ich richte die Lokale her und vermiete sie, teilweise bin ich auch Betreiber. Mir gehören über 20 Objekte.
Als was würden Sie sich bezeichnen? Als Rotlicht-Capo?
Ich bin Kaufmann, ein Geschäftsmann. Ich habe nur eine Frau und nicht fünf Mädchen um mich herum. Man muss kein Zuhälter sein. Ich habe keine Vorstrafe und arbeite jeden Tag von acht bis 24 Uhr, manchmal auch bis zwei. Nur den Sonntag nehme ich mir frei.
Gibt es noch Konkurrenzkämpfe in der Branche? Man hört nichts mehr davon?
Es geht auch ohne Gewalt. Man kann immer vernünftig miteinander reden. Und mir kann keiner Konkurrenz machen. Ich habe keinen Bodyguard um mich und bin nie verletzt worden. Ich trage auch keine Rolex, das Geld investiere ich lieber als es am Arm zu tragen. Ich fahren einen VW Tiguan. Im Luxus lebt man heute nicht mehr. Die Mädchen sind früher mit dem amerikanischen Auto ins Lokal gekommen, heute mit der U-Bahn.
Durch das neue Prostitutionsgesetz gab es einen Umbruch.
Ja, früher hat man einfach ein Lokal aufgemacht. Jetzt gibt es sogar für jede Tür eine Bestimmung. Deshalb wird nicht mehr so viel eröffnet wie früher. Dazu kommen viele Strafen, die sind mitunter eine Schikane. Da zahlt man schon mal 1050 Euro, weil ein Feuerlöscher abgelaufen ist und ein Rauchmelder angeblich nicht blinkt.
Die Laufhäuser nehmen den Rotlichtlokalen immer mehr die Kunden weg...
Wer sagt so etwas? Wenn das so gut gehen würde, würde ich eins aufmachen. Aber kaum erwerbe ich ein neues Objekt, spricht sich das herum und es gibt Interessenten.