Chronik/Wien

Vassilakou: "Stelle meine Person infrage"

Im Veranstaltungszentrum "Studio 44" in Wien-Landstraße hat Samstagmittag die Landesversammlung der Wiener Grünen begonnen. Bei dem Treffen soll als Konsequenz aus dem Nationalratswahldebakel ein großer Reformprozess der Rathaus-Regierungspartei starten. Die Diskussion inklusive Führungsdebatte darüber wird erstmals nicht medienöffentlich stattfinden.

"Es braucht starke Grüne in dieser Stadt", betonte der Wiener Landessprecher Joachim Kovacs in seiner Begrüßungsrede. "Wir wollen 2020 die Wahlen in Wien gewinnen", sagte er - auch als "Turboboost" für die Grünen im Bund. Wenn die Grünen "ihre Hausaufgaben machen", werde die Partei "stärker zurückkommen denn je", versprach er.

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Kovacs erinnerte an die Erfolge der Grünen in der vergangenen Zeit - die Wahl von Alexander Van der Bellen zum Bundespräsidenten und den Sieg der Grünen in der Leopoldstadt. "Ein Jahr danach stecken wir Grüne in der wahrscheinlich größten Krise unserer Geschichte", sagte er. Er teilte gegen ÖVP und FPÖ aus, warnte vor einer "schwarz-blauen Republik" und betonte, dass sich die Grünen auch gegenüber ihrem Koalitionspartner SPÖ stärker abgrenzen müssten.

Seit etwa 14.45 Uhr läuft nun die nicht-öffentliche Debatte über die schon im Vorfeld heftig diskutierten Anträge. Eine Gruppe um den Grünen Klubchef der Inneren Stadt, Alexander Hirschenhauser, hat einen Antrag angekündigt, der den Rückzug Vassilakous bis zum Frühjahr 2018 fordert. Mit einem Leitantrag, der ebenfalls eine Gesamtreform in Aussicht stellt, die Personaldebatten aber an das Ende dieses Prozesses stellen will, will man den Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. Hirschenhauser hatte vor Beginn der Antragsdebatte - bei der Medien erstmals ausgeschlossen sind - vor Journalisten betont, dass ein Zurückziehen seines Antrags durchaus denkbar sei. Dafür müssten allerdings einige Abänderungswünsche zum Leitantrag beschlossen werden.

"Stelle meine Person infrage"

Die Chefin der Wiener Grünen, Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, hat sich am Samstag bei der Landesversammlung der Partei sehr selbstkritisch gezeigt. Sie räumte in ihrer Rede Fehler ein und versprach - nicht zuletzt angesichts der jüngsten Führungsdebatte - nicht "an meinem Sessel kleben" zu wollen. Zuerst müsse aber die Partei reformiert werden. "Glaubt mir, das ist die eine Rede, von der ich hoffte, dass ich sie nie würde halten müssen", verwies Vassilakou gleich zu Beginn auf das desaströse Abschneiden bei der Nationalratswahl: "Wir stehen vor einem Berg, den wir versetzen müssen." Umso wichtiger sei es nun, "Differenzen und Ambitionen und ewige Pläne und Trotz beiseitezuschieben und unseren Blick tatsächlich aufs Wesentliche zu richten", appellierte die grüne Parteichefin an die rund 450 erschienenen Parteimitglieder und Sympathisanten.

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2020, wenn planmäßig die nächste Wien-Wahl ansteht, gehe es um "die Existenz der Wiener Grünen". Es brauche dafür eine Neuorientierung und Neuaufstellung in inhaltlicher, thematischer, struktureller und personeller Hinsicht. Vassilakou machte klar, dass sie sich von letzterem Punkt nicht ausnehme. "Nun befürchten manche unter uns, ich würde an meinem Sessel kleben. Das ist ein Irrtum." Niemand sei sakrosankt, sie erst recht nicht. "Ich stelle meine Person infrage, ich stelle meine Position zur Disposition und wünsche mir, dass dies im Zuge unserer Neuorientierung alle tun." Sollte am Ende der Parteireform herauskommen, "dass es eine andere Person an der Spitze braucht: Chapeau!", sagte Vassilakou. Davor wolle sie aber noch ihren Beitrag für den Neubeginn der Wiener Partei leisten und die Regierungsarbeit in Wien fortzusetzen.

"Habe ich euer Vertrauen, um die nächsten Schritte mitzugestalten?" fragte Vassilakou die Basis. Beklatschen wollten das nicht alle Grünen im Saal. Die Abstimmung über die Anträge werde die Frage endgültig beantworten, meinte sie. "Diese Klarheit braucht es, um Regierungsverantwortung wahrnehmen zu können, uns gegenseitig nicht zu lähmen, und diese Klarheit brauche auch ich als Mensch", sagte Vassilakou mit hörbar angeschlagener Stimme.

Heumarkt "falsch eingeschätzt"

Im Laufe ihrer Rede gestand die Verkehrsstadträtin auch Fehler ein: "Ja, ich habe die Sprengkraft, die die Hochhauswidmung am Heumarkt grün-intern entfalten würde, falsch eingeschätzt. Und das ist nur einer meiner Fehler. Ich bin seit bald 14 Jahren quasi die Nummer 1 bei den Wiener Grünen, seit sieben Jahren Regierungsmitglied. Wenn ich pro Jahr bloß einen Fehler gemacht hätte, dann wären es schon mindestens 13." Die Bundeswahl am 15. Oktober sei aber nicht in der Hauptstadt verloren worden, versicherte Vassilakou: "Hätte ganz Österreich wie Wien oder Vorarlberg gewählt, wären wir nicht aus dem Parlament geflogen."

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Der "Spin" des Rauswurfs wegen Wien komme eher aus den eigenen Reihen als von anderen Parteien oder den Medien, mutmaßte sie.

Kogler: "Angriffswelle rollt an"

Der Bundesparteichef der Grünen, Werner Kogler, hat angesichts der Führungsdebatte an die Mitglieder appelliert, an einem Strang zu ziehen. "Wenn wir Zusammenhalt, Respekt und Solidarität plakatieren, dann sollte das auch im eigenen Umfeld eine Rolle spielen", sagte er bei der Landesversammlung der Wiener Grünen am Samstag.
"Wir haben für die nächsten zwei, drei Jahre nur noch diese eine Chance und die müssen wir nützen", betonte Kogler. Er hoffe, dass "wir halbwegs an einem gemeinsamen Strang ziehen", sagte er mit Blick auf die folgende Debatte im Rahmen der Landesversammlung, bei der über die Zukunft der Partei sowie über die Rolle von Frontfrau Maria Vassilakou debattiert und abgestimmt wird. Gerade bei einer bevorstehenden schwarz-blauen Bundesregierung brauche es die Gegenkonzepte der Grünen in Wien. "Dass hier eine Angriffswelle geplant ist und anrollt, ist klar", sagte er. "Die Attacke dieser reaktionären Brüder läuft ja schon länger", meinte Kogler.

Die Veranstaltung wird wohl bis in die Abend-, wenn nicht sogar bis in die Nachtstunden dauern. Denn neben der Diskussion über den Reformprozess stehen Wahlgänge zur Bestimmung des neuen Landesvorstands sowie die Ernennung von Mitgliedern für die Landeskonferenz am Programm. Außerdem werden die vormals "Jungen Grünen Wien" - analog zur Neugründung auf Bundesebene - als "Grünalternative Jugend Wien" neu konstituiert.