Wien will sich "mit London messen, nicht mit St. Pölten"
2010, 2020, 2030: Es muss wohl irgendwann Anfang der 2000er-Jahre gewesen sein, als ein findiger PR-Berater bemerkte, dass sich „runde Jahre“ besonders gut eigenen, um politische Visionen zu verkünden, ohne in die Gefahr zu geraten, diese sofort umsetzen zu müssen.
Wiens Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) hat sich daran ein Vorbild genommen. Unter dem Namen „Vienna Economic Council 2030“ hat Hanke ein Beratungsgremium ins Leben gerufen. Das Ziel: Experten aller Art sollen für ihn und mit ihm konzipieren, was passieren muss, damit Wien im Jahr 2030 gut dasteht.
Um fair zu bleiben: Dass es der Wirtschaftsstadtrat durchaus ernst damit meint, legt seine deutliche Wortwahl nahe. „Wien muss endlich aus seiner kleinbürgerlichen, engen Haut ausbrechen“, sagt Hanke zum KURIER. „Wien muss sich in Zukunft mit London, Amsterdam und Paris messen, nicht mehr mit St. Pölten.“ Denn: „Wir müssen im Konzert der Großen mitspielen. Schließlich werden wir auch mit ihnen verglichen.“
Sozialpartner an Bord
Die Liste derer, die Hanke im „Vienna Economic Council 2030“ dabei unterstützen soll, ist prominent besetzt. Zusätzlich zu den hauseigenen Experten der MA 35 (Wirtschaft, Arbeit, Statistik) hat er Vertreter aller Sozialpartner in das Gremium berufen. Spätestens seit im Bund Türkis-Blau regiert, geht in Wien ohne Sozialpartnerschaft nichts mehr.
Stolz ist man aber vor allem auf die Unterstützer aus Privatwirtschaft und Wissenschaft: Mit dabei ist unter anderem Philipp von Lattorff, Generaldirektor von Boehringer-Ingelheim, die TU-Wien-Rektorin Sabine Seidler sowie Christoph Badelt, Chef des Wirtschaftsforschungsinsituts WIFO. Darüber hinaus sollen Beiträge von mehr als hundert Experten aus den Bereichen NGO, Hochschule, Gesundheit und Verwaltung einfließen.
Konzept bis Herbst
Was aber sollen die Experten eigentlich tun? Etwas, das es laut Hanke „bis dato noch nie gegeben hat“: Alle Strategien (von der Smart-City-Strategie bis zur Tourismusstrategie), die in der Stadt kursieren, sollen „gebündelt“ werden. Erstmals, sagt Hanke, „werden parallel laufende Schienen vernetzt.“
Einfach formuliert: Die Experten sollen gemeinsam erarbeiten, was es braucht, damit sich Wien im Jahr 2030 stärker auf den Weltmärkten positionieren kann. Im Herbst will Hanke erste Ergebnisse präsentieren geben, die dann im Oktober im Gemeinderat beschlossen werden.
Während Hanke sich politische Hilfe von Externen sucht, geht er selbst übrigens den umgekehrten Weg: von der Politik (zurück) in die Privatwirtschaft. In 100 Tagen besucht er derzeit 100 Unternehmen.
Apropos „runde Jahre“: Das Nulldefizit, das Hanke für das Jahr 2020 angekündigt hat, soll halten: „Wien wird im nächsten Jahr keine neuen Schulden machen“, bestätigt er im KURIER-Gespräch.
Hanke folgt damit dem unter seiner Vorgängerin Renate Brauner festgelegten Konsolidierungspfad. Derzeit hält Wien bei rund 6,9 Milliarden Euro Schulden.