Chronik/Wien

Messerattacke vor iranischer Residenz: Suche nach dem Motiv

  • Ein 26-Jähriger verübte in der Nacht auf Montag eine Messerattacke vor der Residenz des iranischen Botschafters.
  • Ein Wachsoldat wehrte den Angreifer ab, gab "mindestens vier" Schüsse ab.
  • Der Mann starb an Ort und Stelle.
  • Der Angreifer ist gebürtiger Österreicher mit familiären Wurzeln in Ägypten.
  • Ein terroristisches Motiv kann derzeit weder ausgeschlossen noch bestätigt werden.
  • Am Wohnsitz des Angreifers fand eine Hausdurchsuchung statt, die aber vorerst kein Indiz auf ein Motiv brachte.
  • Der Soldat trug eine Stichschutzweste, die ihm wohl das Leben rettete.
  • Kunasek ordnete eine Doppelbewachung für diplomatische Objekte in den nächsten 72 Stunden an.

Ein 26-jähriger Mann hat in der Nacht auf Montag eine Messerattacke auf einen Wachsoldaten des Bundesheeres vor der Residenz des iranischen Botschafters in Wien-Hietzing verübt. Der Soldat wehrte den Angreifer mit Schüssen aus der Dienstwaffe ab. Der Mann starb an Ort und Stelle. Der Wachsoldat erlitt eine Schnittverletzung.

Der 26-Jährige sei ohne Vorwarnung auf den vor der Villa Blaimschein in der Wenzgasse 2 postierten Soldaten losgegangen, sagte Polizeisprecher Harald Sörös. Dieser gab "mindestens vier" Schüsse aus der Glock 17 ab. So viele Hülsen wurden bisher von den Spurensicherern eingesammelt. Bei dem Verdächtigen handelt es sich um den 26-jährigen Mohamed E., ein gebürtiger Österreicher mit familiären Wurzeln in Ägypten, sagte Sörös. Sein Motiv war Montagmittag noch unklar.

Alle Inhalte anzeigen

Wohnsitz wird durchsucht

Die Hausdurchsuchung in der Wohnung des 26-jährigen Mannes, der in der Nacht auf Montag einen Wachposten des österreichischen Bundesheeres vor der Residenz des iranischen Botschafters in Wien-Hietzing mit einem Messer attackiert hatte, hat vorerst keine Hinweise auf ein mögliches Motiv des Täters gebracht. Es wurden aber mehrere Datenträger beschlagnahmt, hieß es am Montag vonseiten der Exekutive.

Laut Polizei konnten vorerst "keine augenscheinlichen Hinweise vorgefunden werden, die auf ein konkretes Tatmotiv schließen lassen". Es wurden ein PC und mehrere Datenträger sowie ein Handy sichergestellt. "Die Auswertung dieser Datenträger ist im Gange, die Ermittler erhoffen sich aus den Daten Rückschlüsse zum Motiv des 26-jährigen Tatverdächtigen. Die Sichtung kann unter Umständen mehrere Tage in Anspruch nehmen", so die Exekutive.

"Ein terroristisches Motiv kann derzeit weder ausgeschlossen, noch bestätigt werden", sagte der Polizeisprecher. Das LVT habe eine eigene Gruppe für diese Ermittlungen abgestellt. Eine solche besteht üblicherweise aus fünf bis zehn Polizisten. Sie seien dabei, "das gesamte Umfeld zu durchleuchten, Handy- und E-Mailverläufe zu untersuchen, Freunde und Angehörige zu befragen, in der Wohnung gefundene Schriftstücke zu analysieren" sowie festzustellen, ob der Mann Kontakt zu bestimmten Glaubensgemeinschaften gehabt hat und ob sich in seinem Besitz einschlägiges Werkzeug oder Anleitungen befanden, berichtete Sörös. Die Hausdurchsuchung war um die Mittagszeit im Laufen. Ein Abschluss sei nicht vor dem Nachmittag zu erwarten.

Pfefferspray

Der Soldat versuchte zunächst, den Angreifer mit Pfefferspray abzuwehren, sagte Michael Bauer, Sprecher des Verteidigungsministeriums. Erst als das keine Wirkung zeigte, habe er zur Waffe gegriffen. Der Berufssoldat habe damit "aus jetziger Sicht alles richtig gemacht", nämlich zunächst mit dem Pfefferspray das gelindeste Mittel eingesetzt.

Tatzeitpunkt sei gegen 23.35 Uhr gewesen. Vor der Abgabe der Schüsse kam es laut Sörös auch zu einem kurzen Gerangel. Der Soldat trug eine Schnittwunde am linken Oberarm davon. Der laut Bauer 1994 geborene, in Wien wohnhafte Tiroler Soldat sei mit einem schweren Schock ins Spital gebracht worden.

Verstärkte Überwachung in Wien

Der Nahbereich um den Tatort wurde abgesperrt, die Durchfahrt im Bereich Wenzgasse - Lainzer Straße war vorerst nicht möglich. Die Polizei ordnete zudem eine Verstärkung der Überwachung der diplomatischen Einrichtungen in ganz Wien durch den polizeilichen Streifendienst an. "Mindestens bis zur Klärung des Motivs", sagte der Polizeisprecher, und bis zweifelsfrei feststehe, dass es sich um einen Einzeltäter handelt.

Der iranische Botschafter hatte sich zum Tatzeitpunkt mit seiner Frau und zwei Kindern in der Villa Blaimschein aufgehalten, bestätigte Sörös. "Auf die bilateralen Beziehungen hat dieser Vorfall keine Auswirkungen", teilte der Gesandte Thomas Schnöll, Sprecher des Außenministeriums, der APA auf Anfrage mit.

Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) hat Montagnachmittag für die von Bundesheersoldaten bewachten diplomatischen Objekte bis auf weiteres eine doppelte Besetzung angeordnet. Während der nächsten 72 Stunden sollen nach einer Messerattacke auf einen Soldaten vor der iranischen Botschaft in Wien-Hietzing statt einem nunmehr zwei Wachposten im Einsatz sein, sagte ein Sprecher.

Stichschutzweste: "Wäre sonst tot gewesen"

Alle Inhalte anzeigen

Seine Stichschutzweste hat nach Angaben der Polizei dem Wachsoldaten das Leben gerettet. "Ohne diesen Schutz wäre er tot gewesen, hundertprozentig", sagte Sörös. Zum Ablauf sagte er außerdem: "Angreifer und Soldat kamen gemeinsam zu Sturz, wobei der Tatverdächtige - wie sich auch bei der ersten Sichtung einer Videoauswertung bestätigte - unentwegt auf den Soldaten einstach."

Der Soldat befand sich am Montag weiterhin in Spitalsbehandlung. Er hat laut Michael Bauer, Sprecher des Verteidigungsministeriums, eine leichte Verletzung am Oberarm erlitten. Der 23-Jährige sei nach dem Angriff und dem Waffengebrauch "psychologisch natürlich entsprechend herausgefordert. Der heerespsychologische Dienst war bei ihm, er wird betreut", sagte der Sprecher. Routinemäßig werde wohl eine interne Untersuchungskommission eingesetzt, wie nach Schusswaffengebrauch im Dienst üblich. Die Ermittlungen obliegen aber einzig der Polizei.

Berufssoldaten vor Botschaften üblich

Bei der Bewachung diplomatischer Einrichtungen durch das Bundesheer ist laut Ministeriumssprecher Bauer jeweils ein Soldat vor dem Objekt postiert, ein zweiter entweder im Gebäude oder, falls das nicht möglich ist, in der nächstgelegenen Polizeiinspektion - letzteres war hier der Fall. Laut Bauer sind in Wien 110 bis 120 Heeresangehörige im Einsatz. Zur Verwendung kommen ausschließlich Berufs-, Zeit- und Milizsoldaten, keine Grundwehrdiener. Sie sind, wie auch der 23-Jährige, mit Pfefferspray, Glock 17 und einer Stichschutzweste ausgerüstet. Durchgeführt werde der Objektschutz ausschließlich von Berufssoldaten. Die Bewachung als Assistenzleistung für die Polizei wurde mit August 2016 eingeführt. Die Männer erhalten dafür eine spezielle Ausbildung und Einweisung durch die Polizei.

Die Wachsoldaten versehen jeweils mehrere Tage Dienst und haben dann zwei Tage frei. Während des Einsatzes versehen sie Schichtdienst, das heißt zwei einem Objekt zugeteilte Kräfte wechseln sich im Tages- und Nachtdienst ab, erläuterte Bauer. Einen Fall wie den vorliegenden mit einem Angriff und anschließendem Schusswaffengebrauch habe es seit Einrichtung des Überwachungseinsatzes nicht gegeben.

Beim Tatort handelt es sich um ein historisches Gebäude: Die Villa Blaimschein, im Zweiten Weltkrieg von den Nationalsozialisten von den jüdischen Eigentümern beschlagnahmt, war einst Schauplatz von Verhandlungen für eine provisorische österreichische Staatsregierung unter Karl Renner. Heute befindet sie sich im Eigentum der Republik Iran und dient dem iranischen Botschafter als Wohnort.

Hinweis: Aufgrund zahlreicher Verstöße gegen die Netiquette des KURIER wurde die Kommentarsektion bis auf weiteres geschlossen.

Alle Inhalte anzeigen